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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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»Habt ihr nicht viel mehr Glück gehabt in all den Jahren als ich? Immer habe ich zu Gott gebetet, daß er mir so viel Glück geben möge, wie er euch gegeben hat. Nicht mehr wollte ich. Nun bin ich zum zweiten Mal schwanger. Mißgönnt es mir nicht!«
    Die Frauen nickten. Aber keine kam und legte ihre Hand auf Rahels Stirn.
    Es war eine schwere Geburt. Zu früh kam das Kind. Unverhofft. Mitten am Tag.
    »Laß mich allein, ich kann das«, sagte Rahel zu Jakob. »Zieht ihr weiter, sucht euch einen Lagerplatz, schickt mir am Abend die Mägde, ich werde allein damit fertig. Es wird eine leichte Geburt werden, glaub mir.«
    Aber Jakob wollte das nicht. Er gab seine Anweisungen. Die Karawane zog weiter, Jakob blieb bei Rahel. Es wurde keine leichte Geburt. Nein. Es wurde eine sehr, sehr schwere Geburt.
    »Jakob, mein Lieber«, sagte Rahel, »ich glaube, ich werde sterben!«
    Sie brachte einen Knaben zur Welt und kam nicht mehr zu Bewußtsein. Jakob fiel wie aus dem Element, die Welt zerbrach für ihn.
    »Warum«, rief er zum Himmel hinauf, »warum spielt mir Gott so viel Glück vor? Warum begegnet er mir in der Nacht, ringt mit mir in der Nacht, gibt mir einen neuen Namen? Warum das alles, dieser Glanz, wenn im nächsten Augenblick diese Finsternis über mich hereinbricht?«
    Jakob saß am Wegesrand und weinte. Das Neugeborene lag neben ihm, wimmernd neben dem Körper der toten Mutter.
    Josef hatte in seinem Herzen gespürt, was geschehen war, er verließ die Karawane und kehrte um und lief zurück. Da sah er den Vater am Wegrand sitzen, die Stirn in die Hände gestützt, weinend. Er sah seine Mutter, und er sah auch, daß neben seiner Mutter das Kind lag. Josef wickelte das Kind in ein Tuch, tauchte seinen kleinen Finger in den Wasserschlauch und ließ das Kind daran saugen.
    »Er ist mein Bruder«, sagte er zu Jakob. »Er ist dein Sohn!«
    Wie alt war Josef? Zehn Jahre wohl, nicht älter. Er trug seinen Bruder, und er gab ihm den Namen Benjamin. Er trug seinen Bruder und führte seinen Vater zur Karawane zurück.
    Es war ein großes Leid. Rahel wurde begraben, und auf ihrem Grab wurde ein Altar errichtet. Jakob zog sich ganz in sein Zelt zurück. Erst nach Wochen ließ er Josef zu sich. Es hat lange gedauert, bis Josef seinen Vater dazu gebracht hat, Benjamin auf dem Schoß zu wiegen.

DINA, SCHECHEM UND JEHUDA
    Von König Hamor – Von einer großen Liebe – Von Leas langer Schwangerschaft – Von den Bedingungen der Brüder – Von einem großen Verbrechen – Vom Fluch Jakobs – Von Jehuda – Von Tamar – Von einer schönen Hure – Von Jehudas Heimkehr
     
    Eines Tages war die Karawane vor die Stadt Schechem gezogen. Dort schlugen Jakob und sein Volk das Lager auf. In Schechem regierte König Hamor. Mit ihm stand Jakob seit vielen Jahren in enger Handelsbeziehung. Sie waren keine Freunde, das nicht, zwischen Seßhaften und Nomaden wäre Freundschaft auch eine schwierige Angelegenheit gewesen, Partner waren sie, gute Partner, das ist nicht wenig.
    Am Tag wurde gehandelt, mit allen möglichen Waren wurde gehandelt, Jakobs Leute hatten immer Dinge anzubieten, die auf Erstaunen und Neugierde trafen, Waren aus fremden Ländern. Hamor dagegen bot bürgerlich Solides. Am Abend veranstaltete Hamor für die Karawane des Jakob ein großes Fest vor der Stadt, er wußte, Jakobs Leute wollten nicht in die Stadt, sie wollten vor der Stadt bleiben. Tanz und Musik sollten sein.
    Hamor hatte einen Sohn, und er liebte diesen Sohn über alles. Er hatte ihm den Namen der Stadt gegeben, nämlich Schechem. Als am Abend das Fest stattfand und die jungen Leute musizierten und tanzten und ihre Freude hatten, da kam es zu einer Begegnung zwischen Schechem und Dina, der Tochter des Jakob.
    Wer war Dina? Als Dina zur Welt gekommen war, war sie von ihrer Mutter Lea über Wochen versteckt worden. Lea meinte, Jakob werde zornig auf sie sein, wenn sie ihm statt noch eines Sohnes nun eine Tochter geboren hatte.
    Sie stopfte Kissen unter ihr Gewand und sagte: »Es ist noch nicht soweit, er will noch nicht kommen.«
    »Aber ich kann doch zählen«, sagte Jakob. »Ich weiß doch, wie lange eine Schwangerschaft dauert!«
    »Diese dauert eben länger«, sagte Lea, und in ihrer Angst log sie: »Gott ist mir im Traum erschienen und hat mir verkündet, ich werde einen starken, einen mächtigen Sohn bekommen, der in der Welt stehen wird wie ein Berg, und deshalb braucht er um so länger die Geborgenheit des Mutterschoßes, weil er in seinem Leben einem

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