Geschichten von der Bibel
einen fürchterlichen Schlag und verletzte ihn, er hat ihm am Bein die Sehne verkürzt, von nun an wird Jakob hinken.
Der Geist sagte zu Jakob: »Laß mich nun gehen, die Morgenröte kommt, laß mich los!«
Und Jakob sagte: »Ich laß dich erst los, wenn du mich segnest.«
Der Geist sagte: »Wer bist du denn, daß du glaubst, von mir etwas fordern zu können?«
»Jakob bin ich, ich bin Jakob. Ich bin nicht mehr, und ich bin nicht weniger. Aber in dieser Nacht bin ich mehr geworden, als ich vorher war.«
Da sagte der Geist: »Dann werde ich dir einen zweiten Namen geben: Israel sollst du genannt werden von nun an!«
Das heißt soviel wie: Ich habe mit Gott gekämpft.
Oder: Gott hat mit mir gerungen. Da hat Jakob Mut gewonnen. Er versammelte seine Frauen und seine Söhne und Töchter um sich.
Und er sagte zu Silpa und Bilha und Lea und all ihren Söhnen: »Ich bin feige gewesen, als ich euch vorschickte. Meine Strafe für diese Feigheit ist, daß ich sie vor euch bekenne.«
Da senkten Lea, Silpa und Bilha, Ruben, Schimeon, Levi, Jehuda, Isachar und Sebulon, Ascher und Gad, Dan und Naftali ihren Kopf, und es war ein Zeichen von großem Respekt.
Und Jakob sprach weiter: »Ich habe eine große Schuld auf mich geladen in meiner Jugend. Ich war in Versuchung, dieser Schuld eine neue Schuld hinzuzufügen. Ein Geist ist mir in der Nacht erschienen, und ich glaube, es war der Geist Gottes, und ich habe mit ihm gerungen, und wenn es einer nicht glaubt, dann soll er sich mein Bein anschauen, und dieser Geist hat mir den Kopf zurechtgerückt und mich ein Bein kürzer gemacht. Ich will meine alte Schuld begleichen. Und ich will mich nicht fürchten vor meinem Bruder Esau. Aus allen Herden, die wir besitzen, werden wir die schönsten, kräftigsten Tiere aussuchen. Die will ich Esau zum Geschenk machen. Und die schönsten Tücher und die schönsten Schmuckstücke sollt ihr aussuchen und mir geben, damit ich sie als Geschenk vor Esau hinlege.«
Und er löste die Ordnung seines Volkes auf. Er befahl, man solle am Ufer des Flusses das Lager aufschlagen. Und Jakob machte sich allein auf den Weg, seinem Bruder entgegen.
Aber Esau hegte keine Rachegedanken gegen Jakob. Er hatte ihm längst vergeben. Ja, dieser Esau war ein vornehmer, ein großzügiger, ein gütiger Charakter. Er kam Jakob entgegengelaufen, breitete die Arme aus und umarmte seinen Bruder.
»Willkommen«, sagte er.
»Gott ist mir erschienen«, sagte Jakob schnell. »Das war ein Zeichen, daß alles gut wird.«
»Alles ist gut«, sagte Esau. »Es wäre auch alles gut gewesen, wenn dir Gott nicht erschienen wäre.«
Esau nahm keines der Geschenke an.
Jakob und sein Volk zogen weiter.
Und eines Abends wartete Rahel auf Jakob im Zelt. Sie lächelte.
»Du bist so schön«, sagte sie zu ihm.
»Ich bin ein alter Mann«, sagte Jakob.
»Kein alter Mann«, sagte Rahel, »ein stolzer Vater bist du.«
»Das ist wahr«, sagte Jakob. »Elf Söhne habe ich und noch einmal so viele Töchter. Aber mein liebster Sohn ist Josef. Weil er dein Sohn ist.«
Rahel antwortete nicht. Sie lächelte nur.
»Du bist schön«, sagte Jakob.
Rahel nickte.
»Ich weiß es«, sagte sie.
»Das darf eine Frau nicht von sich selbst sagen«, sagte Jakob. »Aber du darfst es.«
Rahel lächelte.
»Warum lächelst du?« fragte Jakob.
Rahel war wieder schwanger. Zum zweiten Mal. Sie war glücklich. Und Jakob war auch glücklich.
»Alles ist gut geworden«, sagte er. »Gott hat mir all seinen Glanz geschickt!«
Jakob zog mit seinem Volk über das Land. Er ließ sich bei den anderen nicht mehr oft sehen. Er besuchte seine anderen Frauen nicht mehr in ihren Zelten, und mit seinen anderen Söhnen sprach er wie mit Männern, die sein Vertrauen hatten und in seinem Dienst standen, aber nicht wie ein Vater mit seinen Söhnen spricht.
Jakobs Familie waren Josef und Rahel. Das führte natürlich zu Spannungen. Lea und Silpa und Bilha waren eifersüchtig. Auch ihre Söhne waren eifersüchtig.
»Wer ist dieser Josef«, sagten sie, »daß er für jede Arbeit zu gut ist!«
»Er ist noch zu jung für die Arbeit«, sagte Jakob.
»Wir waren auch einmal jung«, sagten die Söhne von Lea und Silpa und Bilha. »Da hatten wir keinen Vater, der sagte, wir seien zu jung für die Arbeit.«
Und Lea und Bilha und Silpa sahen, wie Rahels Bauch anschwoll.
»Noch einmal? In deinem Alter? Ob das gutgeht?« sagten sie.
Aber es war keine Sorge, es war Neid.
»Ach, freut euch doch mit mir«, sagte Rahel.
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