Geschlossene Gesellschaft
Bericht über die Untersuchung gelesen, Mr. Horton. Seit Charnwoods Tod habe ich nur darauf gewartet. Dachte, sie würde alles enthüllen. Aber ich hätte es besser wissen sollen, nicht wahr? Nicht das leiseste Fünkchen Wahrheit.«
»Ich habe die Wahrheit gesagt.«
»Vielleicht. Aber Sie wussten mehr, als Sie vor Gericht gesagt haben, nicht wahr? Sie müssen mehr wissen.«
»Warum?«
»Sie haben sich geweigert zuzugeben, dass Ihr Freund Charnwood ermordet hat. Ich nehme an, Sie taten das, weil Sie wussten, dass er es nicht getan hat. Aber wie können Sie sicher sein? Weil Sie das, was wirklich geschehen ist, aus seinem eigenen Mund gehört haben. Sie wissen, wo er ist, nicht wahr?«
Das war genug. Ich knallte mein Glas auf den Tisch und stand auf. »Ich habe Besseres zu tun, als hier zu sitzen und mich beschuldigen zu lassen...«
»Nun werden Sie nicht gleich sauer, Mr. Horton.« Er packte erneut meinen Arm. »Bitte.« Seine Stimme klang irgendwie verzweifelt. Wider besseres Wissen gab ich nach und setzte mich wieder hin.
»Zwei Minuten, Mr. Duggan. Ich gebe Ihnen zwei Minuten, um etwas zu sagen, das es wert ist, angehört zu werden.«
»Einverstanden.« Er trank einen Schluck Bier. »Ihr Freund Mr. Wingate versteckt sich, weil seiner Meinung nach niemand seine Unschuld glauben wird. Und das wird man auch nicht, solange alle glauben, dass nur er einen Grund hatte, Charnwood umzubringen. Aber Charnwood war ein mächtiger Mann. Er hatte Feinde. Und einige davon hatten gute Gründe, ihm den Tod zu-wünschen.«
»Wer?«
»Ich kenne ihre Namen nicht. Keiner kennt sie. Jedenfalls nicht alle. Charnwood kannte sie natürlich. Er hatte sie wie in einem Adressbuch in seinem Kopf aufgelistet. »Aus wem ich etwas gemacht habe.“ Das tat er. Er machte aus den Leuten was. Und zerbrach andere. Wie mich.« Seine Miene verfinsterte sich, als erinnere er sich an etwas Düsteres, dann rieb er sich das Kinn. »Vielleicht haben sie herausgefunden, dass er finanzielle Probleme hatte, und fürchteten sich vor dem, was er enthüllen würde - falls er das überhaupt für nötig hielt. Vielleicht waren sie es auch einfach nur leid, von seiner Diskretion abhängig zu sein.«
»Reden Sie von seinen Klienten?«
»Klienten? Ja, so könnten Sie sie nennen. Klienten - und Mitverschwörer.«
»Mitverschwörer wobei?«
Er starrte mich einen Moment an und zupfte abwesend an seiner Unterlippe. »Ich sage nichts weiter, bis ich sicher bin, wo Sie und Wingate stehen«, sagte er dann. »Wenn Sie für sie arbeiten... Hm, ich glaube nicht, dass Sie das tun.« Er musterte mich scharf. »Sie sind nicht ganz ihr Typ. Und Sie sind zu jung, um schon von Anfang an mit dabei gewesen zu sein. Sie hätten keine Außenseiter benutzt.« Ich war noch immer verblüfft über seine Bemerkung, als er sich über den Tisch beugte. »Wingate hat vielleicht etwas gesehen oder gehört. Einen Blick erhascht oder ein Flüstern aufgeschnappt. Er hält es vielleicht sogar für bedeutungslos. Ein Wort von Charnwood vor seinem Tod, ein Zeichen, das er gemacht oder hinterlassen hat. Aber es könnte die Verbindung sein, die wir brauchen.«
Seine Eindringlichkeit wurde mir lästig. Ich zuckte mit den Schultern und wich zurück. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Das müssen Sie auch nicht. Sagen Sie Wingate einfach nur, was ich Ihnen gesagt habe. Ich könnte ihm vielleicht helfen. Aber nur, wenn er mir helfen kann.«
»Ich kann ihm nichts sagen. Ich habe ihn seit der Mordnacht nicht mehr gesehen.«
»Denken Sie sich was anderes aus. Jemand versteckt ihn. Es liegt nahe, dass Sie das sind.« »Nun, dem ist nicht so.«
Er grunzte, leerte dann sein Glas und leckte sich den Schaum aus dem Schnurrbart. »Wie Sie wollen, Mr. Horton. Noch einen Drink?«
»Nein, danke. Ich muss gehen.«
»Aber Sie wissen ja nicht, wie Sie sich mit mir in Verbindung setzen können.«
»Warum sollte ich das wollen?«
»Weil ich die einzige Chance für Ihren Freund bin. Mit meiner Hilfe, mit dem, was ich weiß...« Er tippte sich gegen den Kopf. »Mit dem, was hier oben drin ist, kann er vielleicht das ganze Pack entlarven. Doch allein wird es ihm nicht besser gehen als mir. Also, falls Sie ihn sehen, falls sich zufällig Ihre Wege kreuzen, sagen Sie ihm, was ich erzählt habe. Ist das fair?«
»Ich denke schon.«
»Sie können mich unter folgender Adresse erreichen.« Er zog ein Notizbuch heraus, dessen Einband aus der Bindung zu gehen drohte, weil so viele gefaltete
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