Geschlossene Gesellschaft
eher darauf hin, dass er nicht so clever war, wie er hätte sein müssen?«
»Das wäre so, wenn man davon ausgeht, er habe wirklich all sein Geld und das seiner Anleger verloren - in amerikanischen Aktien und der österreichischen Bank. Aber das glauben weder ich noch viele andere, die seine Spekulationen finanziert haben.«
»Sie waren einer von ihnen?«
»Das gebe ich offen zu. Und ich hatte nie Grund, es zu bereuen - bis jetzt. Wo wir gerade beim Thema sind...« Er hielt inne und sog an seiner Zigarre. »Sie können mir vielleicht behilflich sein. Und denen, die ich zu diesem Zweck repräsentiere.« Er sog erneut an der Zigarre, neigte dann den Kopf und musterte mich prüfend. »Sie stehen sich gut mit der jüngeren Miss Charnwood, hat man mir erzählt.«
Ich schlürfte ein wenig Champagner und versuchte, gelassen zu antworten. »Wirklich? Wer hat das erzählt?«
»Ich habe überall meine Spione, mein lieber Junge. Ein Tag beim Rennen. Ein Abend beim Ballett. Solche Dinge bleiben nicht unbeobachtet.« »Nun, ich habe sie sicherlich einige Male begleitet. Aber...« »Und jetzt ist sie mit ihrer Tante in ein wärmeres Klima geflohen. Werden Sie ihnen folgen?« »Nein. Selbstverständlich nicht. Ich...«
»Das sollten Sie aber. Darum geht es. Ich möchte, dass Sie es tun. Wir möchten, dass Sie es tun.«
»Was?«
Er beugte sich über den Schreibtisch. Sein Monokel pendelte an einem Band über der Tischplatte und blinkte im Lampenlicht. Er senkte die Stimme, als fürchte er, belauscht zu werden. »Ich habe eingewilligt, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um das Geld wiederzubekommen, das man Fabian Charnwood anvertraut hat. Keiner von uns glaubt, dass es verloren ist. Dafür war er ein viel zu gerissener Finanzier. Er hat vielleicht eine oder zwei Reserven eingebüßt, keineswegs aber einen so vollständigen Verlust erlitten, wie man seine Klienten glauben machen wollte. Nein, nein. Wir nehmen eher an, dass er den größten Teil seines Vermögens - unseres Vermögens - an einen sicheren Ort geschafft hat. Wahrscheinlicher sogar an mehrere sichere Orte. Die Frage ist: wohin?«
Gregorys Vermutungen klangen wie der nach einem Bankrott typische Griff nach dem Strohhalm. Ich hatte jedoch nicht vor, ihm das zu sagen, sondern zuckte nur mit den Schultern und breitete die Hände aus.
»Der Schlüssel liegt bei Tante und Tochter. Eine von ihnen weiß es, vermutlich sogar beide. Daher ihre überstürzte Abreise ins Ausland. So konnten sie peinlichen Fragen aus dem Weg gehen. Charnwood wird eine von ihnen eingeweiht haben, weil er genau diese Möglichkeit im Hinterkopf hatte -seinen plötzlichen Tod. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass es seine Schwester ist. Aber sie wird mittlerweile ihre Nichte ins Vertrauen gezogen haben, also macht das keinen Unterschied. Abgesehen davon hat sich die ältere Miss Charnwood Mr. Faradays Charme gegenüber als unzugänglich erwiesen.«
Es konnten kaum Zweifel bestehen, dass Faraday ebenfalls ein Opfer von Charnwoods Zahlungsunfähigkeit war. Diese Schlussfolgerung löste zwei höchst unangenehme Gedanken in mir aus. Erstens bedeutete es, dass man bereits in einer konzertierten Aktion Informationen im Namen von Charnwoods Klienten gesammelt hatte, als Max und ich ahnungslos in diese verwickelte Welt stolperten. Und zweitens bestätigte das meinen Verdacht, dass Faraday mich Gregory nicht aus Menschenfreundlichkeit empfohlen hatte. Nachdem sie an Vita verzweifelt waren, hatten sie beschlossen, Zuflucht zu Diana zu nehmen. Und ich sollte ihr Instrument sein.
»Folgen Sie ihnen nach Venedig, lieber Junge. Denken Sie sich irgendein Motiv oder einen Vorwand aus. Der abgewiesene Liebhaber oder der platonische Freund, ganz gleich. Aber gewinnen Sie das Vertrauen der Tochter. Finden Sie heraus, was sie weiß. Wo das Geld ist. Und wie wir es in die Hände bekommen können.«
Instinktiv rebellierte ich gegen diese Vorstellung. Diana zu täuschen wäre ein weiterer Verrat an Max, selbst wenn Charnwood sein Geld tatsächlich heimlich in den Gewölben einer Schweizer Bank oder an einem ähnlich verborgenen Platz versteckt haben sollte. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich sie dazu überreden sollte, mir diese Informationen mitzuteilen -vorausgesetzt, sie besitzt sie überhaupt.«
»Nun kommen Sie schon. Sie sind ein gutaussehender und charmanter junger Mann. Die schöne Miss Charnwood wird sich in ihrem selbstgewählten Exil bald nach Abwechslungen umsehen. Sie müssen einfach
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