Geschlossene Gesellschaft
bleiben möchte. Nicht nach dem, was passiert ist.«
Er blieb stehen und zwang mich, dasselbe zu tun. »Sie möchten es nicht? Vielleicht sollte ich Sie daran erinnern, Horton, dass Sie hier sind, um die Wünsche Ihrer Geldgeber zu erfüllen, und nicht, um Ihren eigenen Launen nachzugehen.«
»Und vielleicht muss ich Sie daran erinnern, dass gestern ein guter Freund von mir gestorben ist.«
»Das ist zweifellos sehr betrüblich, aber vollkommen irrelevant. Bis auf die Tatsache, dass die Umstände von Wingates Tod darauf hindeuten, dass Sie erfolgreich Dianas Vertrauen gewonnen zu haben scheinen. Sie wird im Moment in einem genauso verwundbaren Zustand sein. Da sie gerade jetzt für Ihren Charme sehr empfänglich sein dürfte, würde ich vorschlagen. ..«
»Tun Sie's nicht!« fuhr ich ihn an, packte seine Krawatte und bemerkte die plötzliche Angst auf seinem Gesicht. »Wagen Sie nicht, irgendetwas vorzuschlagen. Nicht, wenn Ihnen Ihre Gesundheit lieb ist.« Ich ließ ihn los, und er trat hastig zurück, während er seine zerknitterte Krawatte glättete. »Ich spiele nicht weiter mit. Verstehen Sie? Ich werde für Sie weder spionieren, herumschnüffeln noch irgendetwas untersuchen -und auch nicht für Gregory.«
Er räusperte sich nervös. »Sie sind aufgeregt. Das ist verständlich. Aber sobald...«
»Meine Entscheidung ist endgültig.«
»Bestimmt nicht.« Er hatte sein glattes Lächeln wiedergewonnen und auch die Überheblichkeit in seinem Ton. »Denken Sie an das Geld, das Sie verlieren.«
»Das Geld interessiert mich nicht.«
»Oh, und ob es das tut. Das beweist Ihr ganzes Leben, wie Sie sich erinnern werden, sobald Sie sich von dem Schock erholt haben. Sie werden an das denken, was Sie verlieren. Und dann werden Sie es sich überlegen.«
»Nein.«
»Glauben Sie mir, Horton, Sie werden es tun. Aber nehmen Sie meinen Rat an: Verschieben Sie es nicht zu lange. Und jetzt werden Sie mich entschuldigen, ja? Ich glaube nicht, dass wir in dieselbe Richtung gehen.« Mit diesen Worten eilte er davon. Ich zündete eine Zigarette an und schaute ihm hinterher, bis er um eine Ecke verschwand. Dabei fragte ich mich, ob er nicht letztlich recht hatte, und betete darum, ihn widerlegen zu können.
Ich musste nicht lange nach einer passenden Pension suchen. Die Casa dei Pellicani lag an dem übelriechenden Ende einer schmalen Brücke auf halbem Weg zwischen der Quästur und San Marco. Nachdem wir uns über die Konditionen für eines der besseren Zimmer geeinigt hatten, ging ich die Riva degli Schiavoni entlang und bestieg den nächsten Vaporetto zum Lido. Ich wollte mich ohne jede Verzögerung von der Villa Primavera verabschieden.
Vita empfing mich im Salon, wo sich seit meiner Ankunft vor einer Woche anscheinend nichts geändert hatte, obwohl alles anders war. Sie wirkte ernst und zitterte, sah plötzlich alt und zerbrechlich aus, wie wenn sie zu viel durchgemacht hätte.
»Diana ruht. Sie ist sehr erschöpft. Ich kann mir vorstellen, dass Sie das ebenfalls sind.«
»Nein. Eigentlich...« Meine Worte erstarben, als sich unsere Blicke begegneten. Wir verstanden uns. Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich ihre Gastfreundschaft missbraucht hatte, aber dazu hätte ich offen über das Geschehene sprechen müssen, und das war, ihrer Miene nach zu urteilen, das letzte, was sie wollte. »Ich ziehe in eine Pension«, sagte ich abrupt. »Unter den gegebenen Umständen scheint mir das... nun, für alle das Beste zu sein.«
»Ich finde nicht, dass Sie das müssen, Guy. Ich behaupte nicht, dass ich die Moral Ihrer Generation verstehe. Sie ist mit Sicherheit anders als meine. Trotzdem ist offensichtlich, dass Diana mittlerweile viel an Ihnen liegt. Und sie wird in den vor uns liegenden Wochen die Unterstützung all derer brauchen, an denen ihr etwas liegt. Und zwar mehr als je zuvor.«
»Sie wird meine Unterstützung bekommen. Es ist nur... Es ist schwer zu erklären, aber ich habe das Gefühl, dass ich... um Max' willen... gehen muss.«
»Max ist tot.«
»Schon. Aber unsere Freundschaft nicht. Sagen Sie Diana...«
»Sag es mir selbst, Guy.« Ich wirbelte herum. Diana stand in der Tür, wo sie darauf gewartet hatte, dass ich ihre Anwesenheit wahrnahm. Sie trug ein einfaches weißes Kleid und hatte die Hände fest zusammengepresst, während sie mich anschaute. Ihr Gesicht war blass, und sie hatte Ringe unter den Augen. Ihre Lippen zitterten, als sie sprach. »Du willst weg... ohne auf Wiedersehen zu
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