Geschlossene Gesellschaft
Errungenschaft.« Mit Noel meinte er offenbar Faraday. Plötzlich wurde mir klar, dass ich seinen Vornamen noch nie gehört hatte. »Nun, Pierre, Karl, was denken Sie?«
Pierre war der jüngere der beiden und offenbar Franzose. Ich nahm an, dass Karl Deutscher sei. Ihre Akzente bestätigten meine Annahme. Pierre betrachtete mich von Kopf bis Fuß. »Sieht aus, als passte er für die Rolle. Aber kann er auch schauspielern?«
»Ich habe ihn speziell wegen seiner schauspielerischen Fähigkeiten ausgewählt«, meinte Faraday mit einem Lächeln in meine Richtung.
Vasaritch lachte. »Sehr gut. Aber findet er auch den Beifall der weiblichen Hauptrolle?«
»Oh, ich glaube schon«, erwiderte Faraday.
»Wir brauchen mehr als nur Beifall.« Pierre lächelte nicht. »Wir brauchen ihre Geheimnisse.«
»Tut mir leid.« Ich war der Scharade überdrüssig. »Ich fürchte, Sie alle gehen von...«
»Horton ist ein bisschen zögerlich«, meinte Faraday gepresst. »Er hat etwas Neues an sich entdeckt: Skrupel.«
»Sind Sie reich?« wollte Pierre wissen.
»Nein.«
»Dann können Sie sich keine Skrupel leisten. Sie sind wesentlich teurer als tugendhafte Frauen. Und noch seltener.«
Vasaritch lachte erneut, aber niemand stimmte mit ein. Pierre sah aus, als lache er nur, wenn er allein war. Und Karl, als hätte er diese Schwäche vor fünfzig Jahren abgelegt. »Einen Drink, Horton?« fragte Vasaritch und umfasste meinen Arm wie mit einer Zange. »Wir haben jedes Gift hier.«
»Ehm... nein, danke.«
»Nüchternheit ist ein Plus«, bemerkte Pierre.
»Aber nicht üblich für Horton«, verkündete Faraday. »Er muss nervös sein.«
»Weshalb sollte er nervös sein?«
»Wegen der Konsequenzen seiner neuentdeckten Skrupel.«
»Wann werden Sie uns liefern, was wir wollen?« Karl sprach das erste Mal.
»Wie ich schon versucht habe zu ...«
»Wir können nicht länger als bis Ende des Monats warten.«
»Das stimmt, fürchte ich«, pflichtete Faraday bei. »Bis dahin brauchen wir wirklich einige Ergebnisse.«
»Nun, von mir werden Sie keine bekommen.«
»Wie schade«, meinte Pierre. »Es wäre besser für Sie, wenn wir sie auf diesem Weg bekämen.«
»Und zwar bald.« Vasaritchs Stimme rumpelte in meinem Ohr. »Um des Mädchens willen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ah«, sagte Pierre. »Ein Aufflackern von Besorgnis. Liegt Ihnen etwas an ihr, Horton?«
»Wenn Sie Diana Charnwood meinen«, antwortete ich, während ich Faraday anschaute, »ja. Mir liegt etwas an ihr. Und ich glaube nicht, dass sie etwas verbirgt.«
»Das ist nicht überzeugend genug«, stellte Vasaritch fest.
»Nun, es muss reichen, weil ich Venedig sehr bald verlassen werde und...«
»Nicht sehr bald«, unterbrach mich Faraday. »Zufällig habe ich heute Morgen mit Martelli gesprochen. Er sagte mir, dass das Verhör vorläufig auf den 26. festgesetzt ist.«
»Am 26.? Aber... das sind ja noch mehr als zwei Wochen!« »Ungefähr. Zwei Wochen, in denen Sie die Wahrheit aus Diana Charnwood herausholen können. Was haben Sie denn sonst zu tun ?« »Ich habe Ihnen bereits gesagt...«
»Erzählen Sie uns nichts«, fiel mir Vasaritch ins Wort. »Bis Sie uns das mitteilen können, was wir hören wollen.«
»Zufällig weiß ich, dass sie vorhat, heute Nachmittag die Insel San Michele zu besuchen«, meinte Faraday. »Das bietet Ihnen eine brillante Gelegenheit, sich am Grab mit ihr auszusöhnen. Ein paar wohlgewählte Worte, und Sie sind wieder Gast in der Villa Primavera.«
»Ich werde nicht dorthin zurückkehren.« »Denken Sie an das Mädchen, Horton«, gab Vasaritch zu bedenken. Er ging an uns vorbei, lehnte sich gegen die Reling des Achterdecks und legte die Hand auf den wohlgeformten Körper der Brünetten, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Sie drehte den Kopf und schnurrte erfreut, als er die weiche Haut ihres Oberschenkels streichelte. »Denken Sie an sie, und genießen Sie sie. Aber entkleiden Sie ihren Kopf genauso wie ihren Körper.«
»Wir müssen bis Ende des Monats Bescheid erhalten«, sagte Karl.
»Und wenn nicht?«
»Dann werden wir andere Methoden anwenden«, erwiderte Vasaritch. Jede Liebenswürdigkeit war aus seiner Stimme verschwunden. Plötzlich packte er das Haar der Brünetten und riss ihren Kopf heftig hoch. Sie stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus und dann noch einen, als sein Griff noch fester wurde. »Andere Männer, andere Methoden.«
»Sie würden keine von beiden mögen«, meinte Faraday. »Glauben Sie mir.«
Ich
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