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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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länger.
    Oft hoffte ich auf eine plötzliche Lösung aus meinem Dilemma, irgendeinen deus ex machina, der alle meine Schwierigkeiten beheben würde. Aber eben, das war nicht mehr als eine Hoffnung, und noch nicht einmal eine besonders fromme. Ganz gewiss glaubte ich nicht daran, dass sie erfüllt würde, als fünf Tage vor der Anhörung völlig unerwartet Quincy Z. McGowan ankam, der jüngere Bruder der verstorbenen Maud Charnwood und also Dianas Onkel.
    Quincy war ein großer Mann in den Vierzigern, mit lauter Stimme und einem strahlenden Lächeln. Er neigte zu Fettleibigkeit und bekam eine Glatze, strahlte aber einen jungenhaften Charme aus. Er hatte, wie er erklärte, eine Reise nach England vorgeschoben, um Vita und Diana nach dem Tod seines Schwagers zu helfen. Im Amber Court hatte er von ihrem neuesten Missgeschick erfahren und war deshalb sofort nach Venedig weitergefahren.
    Vita und Diana schienen sich übermäßig zu freuen, ihn zu sehen, und es war leicht zu verstehen, warum. Er fegte wie ein Frühlingswind durch die Villa und zerstreute dabei viel von der Furcht, die sich über uns gesenkt hatte. Diana hatte liebevolle Erinnerungen an den jungen Gott ihrer Kindheit. Nach dem Tod ihrer Mutter aber verschwand der verspielte Onkel fast ganz aus ihrem Leben. Nachdem die Lusitania versenkt worden war, hoffte er, die Vereinigten Staaten würden Deutschland den Krieg erklären und ihm so die Möglichkeit bieten, seine Schwester zu rächen. Aber darauf musste er bis 1918 warten, als er einige glorreiche Monate an der Westfront dienen konnte. Seine Beschreibungen der Kämpfe deckten sich nicht mit meinen Erinnerungen, aber man konnte unmöglich seiner überschäumenden Begeisterung widerstehen. Ich war nur froh, dass Max und ich während unseres Amerikaaufenthaltes niemals an ihn geraten waren. Die McGowans aus Pittsburgh rangierten in der amerikanischen Stahlindustrie nicht weit hinter Carnegie und Trick. Sie waren mächtige Gegner. Und davon hatte ich schon genug.
    Eine von Quincys gewinnendsten Eigenschaften war seine Bescheidenheit. »Mein Vater hat für meinen Wohlstand gesorgt, als ich noch in den Windeln lag. Und mein Bruder Theo sorgt dafür, dass ich ihn behalte. Ich bin der dankbare Nutznießer ihres Geschäftssinnes. Theo hat das Hirn, und Maudie hatte die Schönheit. Für mich blieb da nicht mehr viel übrig -außer Spaß am Leben zu haben.« Aber er war nicht zu seinem Vergnügen nach Venedig gekommen. Er wollte seine Hilfe anbieten. »Wäre die McGowan Steel Corporation pleite gegangen, wäre Fabian uns ebenfalls zu Hilfe geeilt. Also ist es nur fair, wenn ich dasselbe versuche.«
    Er selbst erwies sich als ebenso nützlich wie das, was er sagte. Von Charnwood Investments wusste er so gut wie nichts: »Fabian hat uns immer auf Abstand gehalten, was das Geschäft betraf.«
    Quincy verstand es brillant, Frauen jeden Alters zu unterhalten und die Räder der Rechtssysteme jeder Nation zu schmieren. Er fand sofort einen Draht zu Martelli und brachte das amerikanische Konsulat dazu, wesentlich mehr für uns zu tun als unser eigenes. Wenn er uns gerade nicht unterhielt, ermunterte er uns. Und als schließlich der Termin der Untersuchung gekommen war, schien seine Anwesenheit bei dem Gerichtsverfahren beinah magisch ein günstiges Ergebnis zu garantieren. Ich hatte keine Ahnung, ob vielleicht auch etwas anderes als Magie - zum Beispiel Bestechungsgeld - am Werk war, aber ich hätte es ihm zugetraut.
    Jedenfalls verlief die Befragung glatt. Natürlich wurde meistens auf Italienisch verhandelt. Aber wenn der Vorsitzende Richter sein Missfallen über die Umstände von Max' Tod äußerte oder dessen Charakter kommentierte, verzichtete man zum Glück auf die Übersetzung. Diana und ich wurden auf Englisch befragt, und die verschlungenen Wege der Übersetzung neutralisierten unsere Antworten und nahmen ihnen die Scham und jedes Gefühl. Ich konnte nicht abschätzen, wie ein italienisches Gericht auf die Ereignisse reagieren würde, die wir beschrieben, aber ich war sicher, dass es nicht mit der engstirnigen Säuerlichkeit englischer Middleclass-Geschworener urteilte. Und so war es denn auch. Das Urteil wurde mit fast klinischer Ruhe verkündet. Omicidio involontario, genau wie Martelli vorausgesagt - und wofür Quincy möglicherweise vorgesorgt hatte.
    Nach der Urteilsverkündung gingen wir in Harry 's Bar, kehrten dann zum Lido zurück und dinierten im Excelsior. Die Erleichterung gab uns Mut, der fast in

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