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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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werde es versuchen.«
    »Dann kommst du also zurück zur Villa?«
    »Falls Vita keine Einwände hat.«
    »Sie hat niemals Einwände gegen etwas, was gut für mich ist.«
    »Und ich bin gut für dich?«
    »Ich hoffe, dass wir gut füreinander sind.«

9
    So kehrte ich also in die Villa Primavera zurück. Die zwei Wochen, die ich noch in Venedig auszuharren hatte, würden ihre Versuchungen mit sich bringen. Ich werde nie mit Sicherheit sagen können, ob ich ihnen standgehalten hätte, wenn ich mir selbst überlassen gewesen wäre. Doch das war nicht wichtig. Ich war schon um Dianas willen gezwungen, wieder in die Villa zurückzukehren. Und nachdem ich wieder dort war, überzeugte ich mich mit Leichtigkeit davon, dass mehr oder weniger jede Täuschung - und Leidenschaft - aus demselben Grund zu rechtfertigen war.
    Diana war nach Max' Tod in ein anderes Zimmer umgezogen. Kaum nötig zu fragen, warum. Gnädigerweise erinnerte nichts in der Villa an diesen Nachmittag. Max war nicht so lange hier gewesen, dass irgendwelche Gespenster hätten bleiben können. Wenn ich an ihn dachte - und das tat ich häufig -, dann stellte ich ihn mir an anderen Orten und in anderen Stimmungen vor als der, in der er gestorben war. Aber als Diana wenige Stunden vor dem Morgengrauen des zweiten Tages zu mir kam, weinend und nervös, konnte ich sie in die Arme nehmen, ohne Max' Gesicht zu sehen. Und in der dritten Nacht, als wir den Bedürfnissen und Instinkten des Körpers auf eine Weise erlagen, die ich nie wieder für möglich gehalten hätte, hatte ich keinerlei Skrupel, Dianas Körper zu umfassen.
    Aber das durfte man von mir auch nicht erwarten. Sie waren seltsam und beunruhigend, diese Tage am Lido, voller Warten, während der Herbst sich mit salzig riechendem Nebel und immer kühleren Abenden ankündigte. Wie anders hätten wir unsere Zweifel und Ängste beruhigen können, als indem wir uns aneinander klammerten? Ich liebte sie nicht. Ich glaubte nicht mehr daran. Aber sie tat es. Und die besondere Art und Weise, wie sie sich mir hingab, machte das nächste Mal noch unwiderstehlicher.
    Ich sammelte ihre Geheimnisse ohne Gewissensbisse. Ohne dass sie es wusste, versuchte ich ihr zu helfen, sie vor den »Überredungskünsten« zu bewahren, die Faradays Freunde sich ausdenken mochten. Und es gab nichts, was sie mir nicht erzählen wollte. Nichts, bis auf das, was ich immer dringender aufdecken musste. Hätte ich nicht das Gespräch zwischen ihr und Vita in dieser Nacht im Garten belauscht, wäre ich von ihrer Unschuld überzeugt gewesen und hätte geglaubt, dass Charnwood kein Geld versteckt habe. Aber er hatte es getan. Was sonst hätten die beiden Frauen meinen können? Und wozu wäre ein so schlaues Versteckspiel gut gewesen?
    Denn schlau waren sie zweifellos. Diana öffnete mir ihre Seele. Sie leugnete nichts. Nur einen einzigen Fetzen Wissen verbarg sie vor mir, den Fetzen, den ich in Badezimmerschränken und Garderobenregalen suchte, in Handtaschen und Reisetaschen, wann immer ich die Chance bekam. Selbst Vita nahm ich nicht aus. Ich schlich in ihr Büro, las ihre Briefe und durchsuchte ihre Taschen. Ich hatte viele Gelegenheiten dazu und nutzte sie mit wachsender Verzweiflung. Doch ich kam keinen Schritt weiter.
    Als die Tage verstrichen, kam ich zu einem finsteren Entschluss. Ich musste es ihnen sagen, ihnen den Ernst ihrer Lage begreiflich machen. Dann würden sie vielleicht freiwillig die Wahrheit sagen, um sich selbst zu retten. Allerdings musste ich zugeben, dass ich Faradays Spion war und noch verachtenswürdiger als er. Indem ich Diana rettete, würde ich sie so gut wie sicher verlieren. Und keine Geldsumme konnte mich dafür entschädigen. Auch wenn ich nicht an die Liebe glaubte, konnte ich Vernarrtheit, Sucht, ja Besessenheit nicht abstreiten. All das fühlte ich, und Diana war der Grund dafür.
    Doch was konnte ich schon tun? Welche Alternativen gab es? Keine, soweit ich sehen konnte - außer der Verzögerung. Die Untersuchung war definitiv auf Montag, den 26. Oktober, festgesetzt worden. Martelli hatte das bei einem seiner zahlreichen Besuche gesagt. Er hatte uns auch schon das Ergebnis verkündet: ein Urteil wegen unabsichtlichen Totschlags und das sofortige Ende unseres Arrestes. Wir alle wollten Venedig möglichst bald verlassen. Ich fragte mich nicht, wie es danach weitergehen sollte, denn dann würde ich sprechen müssen. Bis zur Anhörung konnte ich schweigen - und Dianas Zuneigung sicher sein. Aber nicht

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