Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Kollegen?«, der Lokalchef schüttelte den Kopf. »Da weiß ich leider gar nicht Bescheid. Tja, mein Vorgänger, der hätte Ihnen bestimmt was über Hagebusch erzählen können. Aber der gute Mann ist eine Woche nach Beginn seines Ruhestandes umgefallen und war tot. Ganz schön viel Pech, was?«
Die drei Männer hielten einen Augenblick nachdenklich inne.
»Grundsätzlich hat es mich sowieso erstaunt, dass der Hagebusch sich das überhaupt noch angetan hat, als freier Mitarbeiter solche, wie soll ich sagen, Wald- und Wiesenaufträge für den Lokalteil zu erledigen«, sagte Overbeck dann.
»Und warum finden Sie das so erstaunlich?«, wollte Angermüller wissen.
»Weil Hagebusch einem sofort vermittelte, was für ein wichtiger Mann er war, welche Kontakte er hatte und für welche großen Zeitungen er geschrieben hat – natürlich war das alles Vergangenheit. Aber bei ihm hörte sich das so an, als bewege er sich noch immer unter den Mächtigen und Wichtigen unserer Republik – wenn er das überhaupt je getan hat. Und jetzt ab und zu mal einen Artikel über Lübecker Lokalgrößen oder den besten Wochenmarkt der Stadt …«
Overbeck unterbrach sich und schüttelte seinen Kopf.
»Na ja, seine Sache. Es hieß außerdem, finanziell hätte der das auch nicht nötig. Näheres darüber weiß ich nicht. Aber, wie schon gesagt, der Journalismus, oder besser, das, was er dafür hielt, war wohl sein ganzer Lebensinhalt.«
Als Angermüller und Jansen sich kurz darauf von ihm verabschiedeten, fiel dem Lokalchef etwas ein: »Ich hab doch noch einen Tipp für Sie: Sie sollten mit Frau Tischbein sprechen. Die war mehr als 30 Jahre hier im Haus und macht manchmal noch Vertretung im Sekretariat. Gerade diese Woche ist sie für jemanden eingesprungen. Wenn die Tischbein nichts über den Hagebusch weiß, dann keiner.«
Die Beamten waren schon aus der Tür, da kam Overbeck ihnen nach.
»Wie sieht es eigentlich aus, haben Sie ein paar Informationen für uns zum Fall Hagebusch? Schließlich ist es nur recht und billig, wenn wir als Erste was darüber bringen, wo er doch einer unserer geschätzten Mitarbeiter war.«
Die Stimme der Frau war einer schnarrenden Computerstimme nicht unähnlich, dabei gebieterisch, mit einem vorwurfsvollen Unterton, sodass Angermüller alles, was er sagte, irgendwie falsch vorkam. Der spröde Ton passte zu dem spitzen, scharf geschnittenen Gesicht. Ansonsten wirkte Frau Tischbein unauffällig. Aschblond und glatt das halblange, von einem exakten Mittelscheitel geteilte Haar, die Brille randlos, das Kostüm eher ordentlich als schick, so saß sie kerzengerade hinter ihrem Schreibtisch. Einzig ein blaues Halstuch, das akkurat um den Ausschnitt des Jacketts drapiert war, brachte etwas Farbe in ihre Erscheinung.
Kaum dass Angermüller und Jansen ihren Namen und Dienstgrad ausgesprochen hatten und noch ehe sie ihren routinemäßigen Griff in die Jackentasche vollziehen konnten, verlangte die Sekretärin, die Dienstausweise der beiden zu sehen.
»Und weswegen sind Sie hier? Ich habe nicht viel Zeit. Von meiner erkrankten Kollegin ist einiges aufzuarbeiten.«
Mit einer energischen Bewegung schob sie nach einem kurzen Kontrollblick die Karten zurück über die Schreibtischplatte.
»Wir würden gern über Victor Hagebusch mit Ihnen sprechen. Wir haben gehört, Sie könnten uns vielleicht weiterhelfen.«
»Dazu müsste ich zuerst wissen, weshalb Sie Auskünfte über Herrn Hagebusch von mir haben wollen. Ich rede nicht über andere Leute, ohne zu wissen, wozu es gut ist«, stellte sie mit steinerner Miene klar.
»Wenn es überhaupt irgendwozu gut ist.«
»Der Herr Hagebusch wurde heute Morgen von der Putzfrau tot in seiner Wohnung aufgefunden. Da er keines natürlichen Todes gestorben ist, haben wir die Aufgabe herauszufinden, was geschehen ist. Wenn Ihnen das als Begründung reicht, würden wir Ihnen jetzt gern ein paar Fragen stellen, Frau Tischbein.«
An seiner leisen Stimme und an dessen sauberstem Hochdeutsch merkte Angermüller sofort, dass die Mittsechzigerin seinem Kollegen Jansen gehörig auf die Nerven ging.
»Oh Gott! Nein! Ich meine, ja. Selbstverständlich beantworte ich gern Ihre Fragen. Der Herr Hagebusch! Oh mein Gott!«, wiederholte sich Frau Tischbein und zwinkerte nervös hinter ihren starken Brillengläsern. Jansen hatte sein Ziel erreicht. Doch es war nur diese eine Schrecksekunde, in der die Frau ihre Fassung verlor.
»Fragen Sie«, befahl sie den Beamten sogleich, während sie
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