Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
der Feierabend näher rückte, fiel ihr ein, dass sie noch keine richtige Lösung gefunden hatte. Alle ihre Anrufe waren erfolglos geblieben. Sie würde wohl in den sauren Apfel beißen und noch einmal nach Lübeck fahren müssen. Lina griff sich das Telefon und rief Kai an, um ihm zu sagen, dass sie an dem Termin am Abend auf keinen Fall teilnehmen könnte. Natürlich war Kai nicht begeistert, denn sie war fest eingeplant gewesen. Doch sie schob als Ausrede eine beginnende Grippe vor, was er schließlich als Entschuldigung akzeptierte.
Mechanisch ordnete sie das Geschirr in die neue Profispülmaschine. Wenn sie bloß nicht so naiv gewesen wäre! Wie hatte sie dem Mann nur glauben können? Sie hatte doch nie wirklich viel von ihm gehalten, weil er immer nur sich, seine Interessen, seinen Vorteil im Auge hatte. Auch bei dieser Sache hatte sie von Anfang an so ein ungutes Gefühl gehabt. Und dann der gestrige Abend, an dem sie erfahren musste, dass er jahrelang genau für diese Leute tätig gewesen war. Das hatte er ihr die ganze Zeit verschwiegen! Logisch, denn dann hätte sie ihm sofort die Tür vor der Nase zugeschlagen. Niemand durfte erfahren, dass sie sich mit ihm eingelassen hatte. Niemand. Sie musste unbedingt heute noch nach Lübeck und sich zurückholen, was sie leichtsinnigerweise aus der Hand gegeben hatte. Nur so konnte sie die Sache wieder geradebiegen.
Kapitel III
»Unsere Befragung der Nachbarn im Haus hat auch kein Ergebnis gebracht. Keiner hat was Ungewöhnliches gehört oder gesehen«, stellte Angermüller fest. »Also gut.«
»Gar nicht gut«, nörgelte Jansen. »Und du als Zeuge warst die größte Enttäuschung.«
Ohne darauf zu reagieren, blätterte der Kriminalhauptkommissar in seinen Notizen.
»Das Alibi von dem Calese ist, zumindest soweit es den Besuch in dem italienischen Restaurant betrifft, in Ordnung. Das haben wir schon geprüft.«
Sie saßen mit Thomas Niemann, Ameise und Mehmet Grempel in einem der Besprechungsräume vom Kommissariat 1. Harald Appels, der leitende Kriminaldirektor, hatte sich schon in den Feierabend verabschiedet und das mit einem wichtigen offiziellen Anlass begründet. Der Chef war wohl zu einem Essen gemeinsam mit irgendwelchen Größen der Stadt eingeladen. Diese Termine waren ihm heilig, und insgeheim liebte er sie, auch wenn er sich bei seinen Mitarbeitern gern über die wachsende Zahl derartiger Verpflichtungen beklagte.
»Wie sieht’s aus, Thomas? Hast du denn was über den jungen Mann gefunden?«
Niemann schüttelte den Kopf.
»Fehlanzeige. Gibt keine Akte über ihn.«
»Schade, der hätte so ein glasklares Motiv«, grinste Jansen. »Aber das heißt ja noch nix.«
»Was hat die KT noch für uns?«, fragte Angermüller in Ameises Richtung.
»Woher das Metallrohr mit dem Trichter stammt, versuchen wir noch herauszufinden. Scheint schon ziemlich alt zu sein. Könnte auch Eigenbau sein, wie’s aussieht. Weder darauf noch sonst wo relevante Fingerspuren. Die rote Tinte stammt vom Tatort. Sie war im Füller des Toten, und verschiedene Papiere auf seinem Schreibtisch waren damit beschrieben. Auch das zerschnittene Kissen gehört zum Haushalt des Opfers. Wir haben zwei gleichartige im Schlafzimmer gefunden.«
Der Kriminaltechniker sah von seinen Notizen auf.
»Die Dekoration des Toten war also eine ganz spontane Aktion, würd ich behaupten. Und ansonsten, nix, was ihr nicht schon wisst. Keine auffälligen Faserspuren, keine Haare, die mit irgendwelchen gespeicherten Daten übereinstimmen. Ich bin mir fast sicher, dass der oder die Täter Handschuhe und Mützen, wenn nicht irgendwelche Overalls trugen. Der Schuhabdruck könnte vom Täter stammen. Ist aber leider ein billiger Gummistiefel aus chinesischer Produktion, der im letzten Jahr hier im Norden von Schuhmärkten und Discountern zu Tausenden auf den Markt geworfen wurde. Die Schuhgröße ist 41,5, wie schon gesagt, kann genauso gut Männlein wie Weiblein sein. Bringt uns erst mal nicht weiter.«
»Der Tatort ist noch nicht freigegeben, und wir haben ihn amtlich versiegelt«, fügte Mehmet Grempel dem Bericht seines Kollegen an. »Morgen früh werden wir uns noch einmal genauer in der Küche umschauen.«
»Was ist mit den Handydaten?«, erkundigte sich Angermüller.
»Wir haben kein Handy gefunden bisher«, musste Grempel passen.
»Was schon eigenartig ist, weil es gar kein Festnetztelefon in der Wohnung gibt. Haben die Täter wohl mitgenommen. Aber bevor wir die einzelnen Provider abfragen,
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