Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
sich.
»Hör mir bloß mit dem Thema auf! Bei uns is jetzt erst ma Verlobung angesagt.«
»Ach, hat Vanessa dich nun doch überzeugt? Hat ja lang genug gedauert. Herzlichen Glückwunsch! Wann wird denn gefeiert?«
»Sie will unbedingt an Weihnachten«, erwiderte der junge Kollege gereizt, »aber du hast dat nötig!«
»Was ist denn? Meine Glückwünsche sind ganz ehrlich gemeint. Ist doch schön, wenn zwei Menschen sich in diesen unverbindlichen Zeiten füreinander entscheiden.«
Einen Moment lang musterte Jansen misstrauisch seinen Nebenmann. Der fing an zu lachen.
»Mensch, Claus! Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.«
»So richtig allein bin ich ja eigentlich nie gewesen«, grinste Jansen nach kurzem Zögern. »Na ja, is ja noch ne Weile hin bis Weihnachten.«
Was genau er damit sagen wollte, war Angermüller nicht klar. Ob er glaubte, sich noch an den Gedanken einer offiziellen Verlobung gewöhnen zu können, oder wollte er vielleicht doch noch einen Rückzieher machen? Aber Jansen äußerte sich nicht mehr dazu.
»Anderes Thema. Wolln wir nicht erst ma zu dieser Fabrik, wie heißt die noch mal?«
»Feinkostmanufaktur Landglück.«
»Ja, genau. Lass uns dat machen, bevor wir wieder in die Stadt zurückfahren. Das Kaff liegt nämlich nicht weit vom Flughafen, gleich hinter der Grenze in Meckpomm. Wär einfach praktischer vom Weg her.«
»Von mir aus. Ich frag bei Thomas nach, ob der die Kollegen dort schon benachrichtigt hat.«
Knapp 20 Minuten später stellten sie den Passat auf dem Kundenparkplatz ab, zwischen einem großen Reisebus mit Hamburger Kennzeichen und ein paar PKW. Sie überquerten eine weite Rasenfläche, die wohl in der warmen Zeit als Biergarten genutzt wurde, daneben befand sich ein Kinderspielplatz mit einer bunten Auswahl an Turn- und Klettergeräten. Hinter den geparkten Autos erhob sich ein imposantes Reetdachhaus, auf das sich gerade in gemächlichem Tempo die Busbesatzung zubewegte. Es handelte sich um eine Truppe älterer Herrschaften, hauptsächlich Frauen, die lebhaft plauderten und lachten. Die meisten steckten in sportiven Anoraks und Hosen, manche gingen an Stöcken.
»Na, Tine, hast schon widder die großen Büdels zum Hamstern bereit?«, flachste einer der drei Männer, die Angermüller in der Busgesellschaft entdecken konnte.
»Braucht sie doch heute nich, is ja man keine Schnapsfabrik so wie beim letzten Mal!«, rief ein anderer.
Ein paar der alten Damen kicherten laut.
»Dat hebb wi gern! Selbst die größte Schnapsdrossel und denn sone Sprüche!«
Die bewusste Dame drohte scherzhaft mit der Faust.
»Sind ja wieder gut drauf, unsere Rentner«, meinte Jansen und schauderte in der Kälte. Jahrein, jahraus trug er Jeans und T-Shirt unter der Jacke, nur ganz selten kamen einmal ein Sweatshirt oder ein Pullover zum Einsatz. Lieber drehte er im Wagen die Heizung auf. Angermüller hatte heute Morgen seinen alten Lodenmantel aus dem Schrank gefischt, den Astrid immer viel zu bayrisch fand. Auch Judith hatte einen entsprechenden Kommentar gegeben, als er sie zur Schule gebracht hatte. Aber das gute Stück war aus reiner Wolle, noch völlig in Ordnung und schützte genauso gut vor Kälte wie vor Regen.
Die Beamten betraten mit den anderen das Bauernhaus, dessen weiträumiges Erdgeschoss einen Verkaufsraum beherbergte, der an einer Seite in ein Café oder Restaurant überging, wo mehrere Reihen eingedeckter Tische bereitstanden. Alles war hübsch dekoriert, herbstlich mit Strohblumen, Kürbissen, Körben voller Nüsse und Äpfel. Vieles davon war nicht echt, künstlicher Zierrat, die Möbel aus rohem Holz, offensichtlich nur auf alt gemacht, aber es war genau die Art Einrichtung, die Städter in einem idyllischen Landhaus erwarteten. In den Regalen fanden sich Gläser mit Gurken, Senf, Honig und Marmeladen, Gebäck in Cellotüten, auch ein paar Schnäpse, Marzipan und Schokolade, Kunsthandwerk und noch einiges andere mehr, das mit den hauseigenen Produkten der Firma Landglück eigentlich nichts zu tun hatte. Solche aber gab es natürlich auch. Sowohl in einer Frischetheke als offene Ware als auch in Dosen und Gläsern. Doch alles, was man hier zum Verkauf bot, trug den Stempel hausgemacht, war hübsch verpackt, mit handgeschriebenen Etiketten und Schleifchen versehen.
»Die muss es sein.«
Angermüller zeigte auf einen Stapel ovaler Dosen. Gänseleber getrüffelt – Gourmet de Luxe, stand darauf, und darunter war ein appetitanregendes Arrangement mit Kerzen
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