Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
nickte der alte Herr betrübt, »und unsere frisch geräucherte Putenbrust, die mochte er auch sehr gern. Die müssen Sie unbedingt auch einmal kosten!«
Ohne auf die Empfehlung Petermanns einzugehen, fragte Angermüller:
»Haben Sie vielleicht ein paar Beispiele, was der Herr Hagebusch so für Ihre Firma gemacht hat? Könnten Sie uns da etwas zeigen?«
Es dauerte einen Moment, dann hatte Herr Petermann gefunden, was er suchte. Er legte einen Aktenordner auf den Tisch. Fein säuberlich waren darin Artikel zu Produkten der Feinkostmanufaktur Landglück eingeordnet, alle in Klarsichthüllen abgeheftet und mit Datum und dem Namen des Mediums versehen. Für Angermüller allesamt typische Beispiele für bezahlte PR-Artikel in Kundenzeitschriften von mehr oder minder guter Qualität.
»Ich sehe, diese Beiträge hier sind drei Jahre und älter. Haben Sie nichts Aktuelleres?«
Der alte Fabrikant lächelte.
»Mein Sohn führt die Firma seit ein paar Jahren. Wenn man die 70 überschritten hat, dann sollte man sich so langsam aus der Verantwortung zurückziehen, um die Früchte seiner Arbeit zu genießen, nicht wahr?«
Sehr glücklich sah er bei diesen Worten nicht aus.
»Sie sprechen hier nur mit dem Vertreter des Chefs. Mein Sohn ist zur Kundenbetreuung unterwegs, deshalb sitze ich heute hier. Er könnte Ihnen bestimmt mehr zu seinen neuen Vermarktungsstrategien erzählen. Da gehört zum Beispiel unten der Hofladen dazu. Dann Direktvermarktung, unser neuer Webauftritt oder wie das heißt. All diese Sachen im Internet. Aber da kann ich Ihnen nicht helfen, da weiß ich leider nicht drüber Bescheid.«
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Es war ein etwas veraltetes Modell in moosgrün mit einer großen Tastatur und dem Hörer an einer Schnur.
»Entschuldigung!«
Petermann lauschte konzentriert, ließ ein unzufriedenes Geräusch hören.
»Und was will er jetzt hier? Jörn ist doch gar nicht da«, fragte er dann nach und schüttelte unmutig den Kopf.
»Der Oswald muss trotzdem einen Moment warten. Ich habe noch die Herren von der Polizei hier«, beendete er das Telefonat.
»Wir wollen Sie auch gar nicht mehr lange aufhalten, Herr Petermann. Nur eine Frage noch: Hatten Sie beziehungsweise Ihre Firma schon einmal Probleme mit Tierschützern, Tierrechtsaktivisten?«
»Darüber ist mir nichts bekannt. Außerdem bestünde dazu auch gar kein Anlass. Wir legen Wert auf beste Qualität und beziehen unsere Rohstoffe nur von seriösen Lieferanten, die sich an die in Deutschland bestehenden Hygienevorschriften und Tierschutzgesetze halten.«
»Ah ja«, machte Angermüller. »Sie verarbeiten hauptsächlich Geflügelfleisch?«
»Ausschließlich!«, betonte Petermann. Er war jetzt ganz in seinem Element.
»Wir haben zwei Produktreihen: Die Fit- und Leichtkostserie für den gesundheitsbewussten Konsumenten und die Gourmetlinie für den anspruchsvollen Genussmenschen. Bei der Leichtkost verarbeiten wir hauptsächlich Puten- und Hähnchenbrust, zum Teil mit Gemüse, und in der Gourmetlinie kommen unsere Rohstoffe auch von Enten und Gänsen, die in bäuerlichen Zuchtbetrieben gehalten werden. Dazu geben wir natürlich noch unsere edlen Zutaten wie echte Trüffel oder Portwein.«
Der Kriminalhauptkommissar griff sich die Dose mit der Gänseleber getrüffelt – Gourmet de Luxe und fingerte seine Lesebrille aus der Manteltasche. Erst seit Kurzem benötigte er diese Sehhilfe, zu seinem eigenen Erstaunen. Er hatte immer Augen wie ein Adler gehabt. Allerdings war die Schrift der Zutatenliste auf der Dose wirklich extrem klein.
»Mmh. Haben Sie nicht gesagt, ausschließlich Geflügelfleisch? Hier sind fast 70 Prozent Schweinefett und Schweineleber drin, aber nur zehn Prozent Gänseleber.«
Angermüller las weiter.
»Und nur ein Prozent Trüffel!«
Herr Petermann winkte ab.
»Ja, das mag stimmen. Für die Pasteten wird auch Rohmaterial vom Schwein verarbeitet.«
Seine Stimme wurde etwas lauter.
»Aber mit der Deklaration richten wir uns exakt nach den gesetzlichen Vorschriften, Herr Kommissar!«
»Ja, natürlich, Gott bewahre, ich will Ihnen jetzt keinen Fehler nachweisen. Ich finde es nur irgendwie eigenartig, dass eine sogenannte Gänseleberpastete nur zu zehn Prozent aus Gans besteht«, meinte Angermüller achselzuckend und stellte die Dose zurück auf den Tisch.
»Der Geschmack jedenfalls wird von unserer Kundschaft sehr geschätzt, und das ist doch die Hauptsache. Wie gesagt, auch Herr Hagebusch liebte unsere
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