Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
sich das scheinbar vorstellen. Klar, wir sind alles Leute, die denken, dass es für Tiere Rechte geben muss, genau wie es Menschenrechte gibt. Aber die Bewegung ist sehr gemischt. Da gibt’s sogar ganz schön Konkurrenz zwischen manchen Gruppierungen. Ich gehöre jedenfalls nicht zu einem festen Personenkreis, der sich jede Woche trifft, weil wir auch an unterschiedlichen Orten wohnen. Übers Internet sind wir hauptsächlich in Kontakt, diskutieren, informieren uns. Wir verabreden uns mal zur Teilnahme an Demonstrationen, wir unterschreiben Petitionen oder verfassen welche, wir unterstützen die Aktionen anderer Organisationen und veranstalten hin und wieder auch etwas selbst. Das soll dann halt möglichst spektakulär sein, damit die Öffentlichkeit auch darauf aufmerksam wird.«
Er machte eine kurze Pause.
»Die Aktion mit dem Hochsitz war so eine spontane Idee. Wir hatten gehört, dass zu einer Jagd am Wochenende hier in der Gegend eine Menge Jäger erwartet werden. Daraufhin sind ein paar Freunde hierher gekommen. Wir waren wohl ein bisschen panisch, sahen schon Unmengen erschossener Tiere vor uns liegen, na ja … Inzwischen weiß ich selbst, dass es ein dummer Plan war. Auch wenn es geklappt hätte, glaube ich nicht, dass wir auch nur einen Menschen mehr von unserer Sache überzeugt hätten. Und ob wir einem Reh oder Wildschwein damit hätten helfen können?«
Die Frage ließ Jonathan unbeantwortet stehen.
»Aber es gibt doch Gruppierungen solcher Tierrechtler, die ganz schön militant agieren, die beispielsweise mal Tiere eines Streichelzoos freilassen oder einem Pelzhändler die Ware mit Farbe besprühen. Die sind dann schon in festen Strukturen organisiert, oder wie?«, hakte Angermüller nach.
»Klar gibt’s Organisierte. Aber wir sind’s nicht.«
»Habt ihr denn Kontakt zu solchen Leuten?«
»Höchstens mal über ein Forum im Internet oder wenn man sich zufällig auf einer Demo trifft. Viele von denen arbeiten sehr konspirativ, weil, ist ja logisch …«
Der junge Mann konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Noch eine Weile versuchte Angermüller von ihm zu erfahren, ob es ein spezielles Thema gab, das in diesen Kreisen gerade aktuell war, ob bestimmte Produkte oder Firmen im Fokus der Aufmerksamkeit standen. Jonathan schien zwar durchaus bereit zu sein, der Polizei Auskunft zu geben, doch seine Informationen halfen nicht direkt weiter.
»In den letzten Wochen war ich nicht sehr aktiv. Mein Studium und so«, erklärte er den Polizisten. Ein wenig verlegen fügte er an: »Und nach der Sache mit dem Hochsitz war ich auch ein bisschen abgetörnt, ehrlich gesagt.«
»Sagt Ihnen der Name Victor Hagebusch etwas?«, fragte der Kriminalhauptkommissar schließlich.
Nach kurzem Nachdenken ein Kopfschütteln des Jungen.
»Nein. Hab ich noch nie gehört, glaub ich.«
»Okay. Können Sie uns noch sagen, wo Sie vorgestern Abend gewesen sind?«
»Vorgestern?«
Jonathan Mehlberger überlegte.
»Ach ja, da habe ich teilgenommen an einer Bibelarbeit mit meinem Vater über das Tier in der Schöpfung. Eine hochphilosophische Frage und ein Riesenthema. Wir waren erst im Gemeindehaus. Eine kleine Gruppe ist anschließend mit hierher gekommen, und wir haben noch bis nachts um eins weiterdiskutiert.«
»Und verraten Sie mir noch, welches Berufsziel Sie als Philosoph haben?«, fragte Angermüller – Sokrates, Platon und die anderen im Sinn.
»Ich studiere auf Lehramt.«
Kapitel IV
Ein Hauch von Zimt, das war der Clou! Am Vortag schon hatte Lina den Salat aus roten Linsen mit Kürbis und Möhren zubereitet, und nun war er richtig gut durchgezogen. Das milde Zimtaroma des Zitronen-Öl-Dressings verband sich wunderbar mit dem scharfen Ingwer und dem leicht süßlichen Geschmack der bissfest gegarten Gemüse. Sie legte den Probierlöffel in die Spüle und ging hinüber zu ihren Gästen.
Nur der große runde Tisch vor dem Fenster im Gastraum von ›Torten, Suppen, Meer‹ war besetzt. Ein Malermeister war mit zwei Gesellen und dem Lehrling zum zweiten Frühstück hergekommen. Einer der Gesellen, ein ziemlich dicker Typ so um die 50, fing gleich an zu mosern, als er die Preise für die wenigen Gerichte mit Fleisch auf der Speisekarte entdeckte.
»Mann, wären wir bloß an die Imbissbude gegangen! Ich will einfach nur ein ordentliches Schnitzel auf mein Brötchen, ich will doch nicht gleich den ganzen Laden hier kaufen!«
Er versuchte witzig zu klingen, aber seine Empörung war echt.
»Meinen
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