Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Noch ein langer Abschied schien vor ihm zu liegen, wenn die Trennung tatsächlich von Dauer sein sollte. Sein altes Leben ließ sich eben nicht einfach so abstreifen.
»Äh, und wie ergeht es dir so allein in der neuen Wohnung?«, fragte seine Gastgeberin, der seine plötzliche Nachdenklichkeit nicht entgangen war, etwas betreten. Wie hingegossen saß sie auf dem Diwan und zupfte an ihren afrikanisch anmutenden Halsketten. Ihr volles Gesicht, von der Wärme im Raum und wohl auch vom Alkohol leicht gerötet, leuchtete im Schein der Stehlampe, während Klas-Dieter zwischen Küche und Esszimmer hin und her wieselte, Getränke servierte, in der Küche mit den Töpfen klapperte und die letzten Vorbereitungen für das Essen traf. Nach einigen Jahren als Single, in denen Astrid sich stets bemüßigt gefühlt hatte, ihre Freundin unter Menschen zu bringen, war Carola im vergangenen Frühjahr mit ihrem Klas-Dieter zusammengekommen. Georg war einer der wenigen, wenn nicht der Einzige, der in die kuriose Geschichte ihres Kennenlernens eingeweiht war, und Carola war ihm wahrscheinlich bis heute dankbar, dass er die Details darüber für sich behielt.
»So ein Umzug, der dauert, sag ich dir«, seufzte Georg, »jedenfalls bei mir. Ganz viele Kisten stehen noch rum, die ausgepackt werden müssen. Hier fehlt noch ein Haken, dort eine Lampe. Aber vor Weihnachten will ich auf jeden Fall meine Einweihungsfeier machen. Steffen hat sich auch schon bei mir beschwert.«
»Ach, bist du mal wieder bei ihm gewesen? Geht’s ihm und seinem Partner gut?«, fragte Carola mit einem leicht süffisanten Unterton. Zwischen ihr und Steffen gab es eine beiderseitige Abneigung, aus der selbst Steffen, sonst die Zurückhaltung in Person, kein Hehl machte.
»Nein, ich bin schon ewig nicht mehr bei ihm und David gewesen. Aber ich denke, es geht ihnen gut. Sie genießen ihre Zweisamkeit in der alten Villa. Ist ja auch wirklich ein Juwel!«
»Leider habe ich ihr Domizil noch nie von innen gesehen.«
Es klang ein wenig verschnupft. Wahrscheinlich würde sie die Villa in der Gegend hinter dem Burgfeld auch nicht von innen zu sehen bekommen. Da war der liebenswürdige Steffen konsequent.
»Steffen ist mir gestern bei der Arbeit über den Weg gelaufen.«
»Ach, wenn ihr euch begegnet, ist doch immer was Schreckliches passiert! Gab’s wieder Mord und Totschlag in Lübeck? Wie spannend! Erzähl doch mal!«
Carola sah ihn gespannt an und schob sich ein paar von den gesalzenen, spanischen Mandeln in den Mund. Wie die meisten seiner Freunde fand auch sie seinen Job im K1 ziemlich aufregend.
»Du weißt doch, Carola: Über laufende Ermittlungen und so weiter, und so weiter«, wiegelte Georg ab. »Erzähl du lieber mal, was der gute Klas-Dieter da in der Küche Großes kocht und zaubert. Ich hab ganz schön Hunger!«
Gegen halb sieben hatten die letzten Gäste das Café ›Torten, Suppen, Meer‹ verlassen und keine neuen waren nachgekommen. Gern hätte Lina heute noch länger Leben um sich herum gehabt, wäre mit ihren vielen Fragen lieber nicht allein gewesen. Während der Sommerzeit, wenn die Tage länger waren, herrschte im Café auch an den Abenden Betrieb. Gegenüber, auf ihrer kleinen Terrasse am Strand, genossen die Gäste gern das milde Wetter und den Blick über die Ostsee bei einem Glas Wein oder einem kühlen Bier. Manchmal entwickelte sich zwischen den völlig Fremden eine nette Stimmung, es bildete sich eine große Runde und man feierte zusammen den Sommer. Aber das, was den Namen Strandsaison verdiente, war hier sehr kurz. Selten schon ab Juni, meist erst ab Juli bis Ende August, und spätestens dann war es auch schon wieder damit vorbei. Ab September lohnten sich die langen Öffnungszeiten nicht mehr, und Lina machte um 19 Uhr Feierabend.
Was für ein Tag! Ihr schwirrte der Kopf. Der Besuch der beiden Polizisten und ihre vielen Fragen hatten sie richtig aus der Bahn geworfen. Hoffentlich hatte sie nichts Falsches gesagt! Weder wollte sie ihren Freunden, noch ihrem Bruder schaden. Dieser dunkelhaarige Kommissar mit dem Dreitagebart war ja gar nicht unsympathisch gewesen, irgendwie ganz gemütlich. Aber er hatte sie immer so zweifelnd angesehen. Und was sie von seinem Kollegen halten sollte, der fast nichts gesagt, immer nur ungeduldig mit dem Bein gewippt hatte, wusste sie auch nicht. Ob die Polizei tatsächlich ihr Alibi für den Tatabend überprüfen würde? Sollte sie besser Kai und die anderen anrufen und sie warnen? Doch dann
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