Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
gleich um die Ecke. In zwei Minuten waren sie da. Der Garten mit seinen alten Bäumen, direkt am Wasser der Alten Trave, lag verwaist im schummrigen Dämmerlicht des frühen Novembernachmittags. Ziemlich ungepflegt sah es auf dem Grundstück rund um das kleine Gasthaus aus, so wie es eben aussieht, wenn sich mehrere Monate keiner darum kümmert. Dick lag überall das Laub, ein Stapel Holzkisten mit leeren Weinflaschen war neben der Hauswand umgekippt, und einige kaputte Gartenstühle standen vereinzelt unter den Ulmen. Hinter den hübschen Sprossenfenstern der alten Rokokofassade brannte kein Licht. Angermüller und Jansen stiegen die Stufen zum Eingang hoch. Die Klingel funktionierte nicht. Jansen klopfte heftig gegen die Tür.
»Lass uns los. Dat bringt ja nix. Da is keen«, murmelte er, als sich drinnen immer noch nichts tat, und sprang die Treppe wieder hinunter.
»Ja, was isch denn des füre Lärm da drauße?«, tönte es plötzlich hinter der Eingangstür.
»Polizei«, antwortete Angermüller. »Wir würden gern mit Max Beuerle sprechen.«
Ein Schlüssel knirschte im Schloss. Im Türrahmen erschien ein mittelgroßer, dunkelhaariger Mann von kräftiger Statur.
»Hab ich das richtig gehört? Polizei?«, fragte er. Sein rundes Gesicht leuchtete rot über der weißen Kochjacke. »Ich bin Max Beuerle.«
Die Beamten zeigten ihre Ausweise und erklärten ihr Anliegen.
»Der Hagebusch ist ermordet worden? Heiligs Blechle!«
Der Wirt schüttelte ungläubig den Kopf.
»Dann gab’s wohl noch andere außer mir, die ihm die Pest an den Hals gewünscht haben. Ich kann sogar verstehen, dass Sie zu mir kommen. Nicht nur einmal hab ich den in meinen Träumen abgemurkst, das kann ich Ihnen sagen! Kommen Sie doch rein.«
Was doch ein paar Monate Schließzeit bewirken können, dachte Angermüller, der den Glanz der Ulmenschenke aus früheren Tagen kannte. Interessiert schaute er über den alten Parkettboden, die Tische mit den hoch gestellten Stühlen, über denen eindrucksvolle Kronleuchter an der Decke schwebten, hinüber zu den eingestaubten Samtvorhängen.
»Ja, hier ist noch eine Menge zu tun, bis wir wieder anfangen können«, las der Wirt Angermüllers Gedanken, »aber wir kriegen das hin. Ich bin Sonntag erst aus Süddeutschland zurückgekommen. Zum ersten Advent eröffnen wir. Sind ja noch fast drei Wochen bis dahin. Jungs, macht mal ohne mich weiter, ich hab Besuch«, rief Beuerle in die Küche hinein, aus der man Stimmen, Schrubben und Töpfeklappern hörte.
Sie setzten sich an einen Tisch in einem der Gasträume mit Blick hinaus in den herbstlich kahlen Garten und begannen mit der offiziellen Vernehmung des Gastronomen. Angermüller musterte interessiert den ihm gegenüber Sitzenden, der etwas sehr Kraftvolles, Energisches ausstrahlte. Auch wenn er sich des Hochdeutschen befleißigte, klang in der Sprache seine Herkunft aus dem Süden immer leicht durch. Der 45-jährige Schwabe hatte die Ulmenschenke sechs Jahre lang geführt, mit wachsendem Erfolg zuerst.
»Dann aber änderte sich die Wirtschaftslage, mit der Konjunktur ging es abwärts und mit meinen Zahlen auch. Ich gebe zu, ich hatte auch ein paar persönliche Probleme. Der Stress in der Spitzengastronomie ist ungeheuer. Wenn du da einen guten Ruf zu verteidigen hast, das geht an die Substanz. Und wie so mancher Kollege habe ich versucht, mit Alkohol wieder ruhiger zu werden. Nur die feinsten Stoffe natürlich, ich saß ja an der Quelle.«
Er lachte spöttisch.
»Aber Alkohol bleibt Alkohol, auch in noch so edler Form. Jetzt hab ich mich wieder im Griff – hoff ich zumindest.«
Dem Gastronomen entging nicht der Blick der Beamten auf den Nebentisch. Eine umfangreiche Sammlung geöffneter Weinflaschen und gebrauchter Gläser stand darauf.
»Nein, das war kein Rückfall in alte Zeiten«, lachte Beuerle. »Wir haben Weine aus meiner Heimat probiert. Die sollen in Zukunft den Schwerpunkt auf unserer Weinkarte bilden. Das gehört halt auch zu meinem Job und ist ja nicht die unangenehmste Aufgabe. Hier, eine Schwarzriesling Auslese, ein günstiger Württemberger für alle Tage. Aber schön trocken, mit dem spritzigen Charakter seines weißen Bruders.«
Der Gastwirt geriet ins Schwärmen. Er zeigte auf eine andere Flasche.
»Und das ist ein Spätburgunder aus Baden, im Barrique ausgebaut, fantastisch der Duft, seine Würze und Wärme. Oder dieser badische Rieslingsekt brut, enorm würzig und frisch. Aber leider sind Sie ja nicht zur Weinverkostung
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