Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
– und dachte natürlich, alles geht aufs Haus, wie immer. Und da bin ich ausgerastet. Ich ließ ihn seine Zeche selbst bezahlen und hab ihn rausgeschmissen.«
»Wie hat Hagebusch reagiert?«
»Blitzschnell. Ich hätte es wissen müssen, so wie er immer geredet hat. Man durfte sich ihn nicht zum Feind machen, das wusste ich eigentlich. Für ihn gab es nämlich nur drei Kategorien von Menschen – hab ich herausgefunden: Welche die ihm nutzten, welche, die ihm schadeten und uninteressante Personen. Und wenn ihm jemand schadete, dann vergaß Hagebusch demjenigen das nie. Der war dann sein Feind auf Lebenszeit und den versuchte er mit allen Mitteln zu vernichten. Noch in derselben Nacht, gleich nachdem ich ihn rausgeschmissen hatte, begann er mit einer unglaublichen Hetzkampagne gegen mein Restaurant. Dass er letztlich meinen Niedergang verursacht hat, glaub ich allerdings nicht. Da war auch eine Menge hausgemacht.«
Der Gastronom zeigte ein trauriges Lächeln.
»Aber er hat mit Sicherheit seinen Teil dazu beigetragen.«
»Wann haben Sie Hagebusch zum letzten Mal gesehen?«
»An dem Abend, als ich ihn vor die Tür gesetzt habe. Ansonsten hab ich ihn nur noch in seinen giftigen Kommentaren über mich und die Ulmenschenke wahrgenommen. Ich hab das dann genauer verfolgt, was der Hagebusch da so verbreitet hat. Da gibt’s einige, die von jetzt auf gleich auf seiner schwarzen Liste standen. Eine kleine Süßwarenmanufaktur, die abgelaufene Rohstoffe verwendet haben soll, ein Partyservice oder das Restaurant eines Kollegen, denen er immer wieder mangelnde Sauberkeit in der Küche vorwarf. Nie so ganz konkret und direkt, trotzdem deutlich genug, um potenzielle Kunden abzuschrecken. Und Ekelthemen sind in der Gastronomie tödlich, wie Sie sich vielleicht denken können. Der Hagebusch war schon ein besonders perfider Schmierfink!«
»Und wie ging das mit Ihnen weiter?«
»Nicht viel länger. Ein paar Wochen nach seinem Rausschmiss war ich finanziell fertig, hab das Restaurant dichtgemacht und erst einmal eine Auszeit in meiner alten Heimat genommen.«
»Wo waren Sie diesen Montagabend, Herr Beuerle?«
»Uii, die Frage kommt ja unverhofft!«, machte der Wirt beeindruckt.
»Ja, da war ich leider schon wieder hier in Lübeck und zähle wahrscheinlich zum engeren Kreis der Verdächtigen. Ich war den ganzen Tag bis nach Mitternacht hier in meinem Laden.«
»Gibt es jemanden, der das bestätigen kann?«
»Fragen Sie die Jungs in der Küche. Bis auf kurze Unterbrechungen waren wir meistens zusammen hier.«
»Das werden wir machen«, nickte Angermüller und setzte hinzu: »Sagen Sie, Herr Beuerle, wenn Sie finanziell am Ende waren, wie Sie vorhin feststellten, wie können Sie dann jetzt wieder neu anfangen?«
»Das ist ein kleines Wunder, da haben Sie recht! Eine begüterte Dame, deren Mann vor Kurzem verstarb und der unseren Laden sehr geschätzt hat, hat mich angerufen und mir einen zinslosen Kredit angeboten, um Schulden abzuzahlen und die Ulmenschenke wieder aufzumöbeln. Glück muscht scho habe, gell!«
»Und was haben Sie vor? Wollen Sie alles wieder so machen wie früher?«
Heftig schüttelte Max Beuerle seinen Kopf.
»Auf gar keinen Fall! Ich will nicht einmal versuchen, wieder in die sogenannte Spitzengastronomie aufzusteigen. Diesen Dauerstress muss ich nicht noch einmal haben! In Zukunft setze ich eher auf einheimische Küche. Saisonal und regional sind ja die großen Stichworte heute, ist ja auch vernünftig. Es gibt in Deutschland wunderbare Produkte und wunderbare Rezepte. Ich will den Spagat zwischen meiner Heimat Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein versuchen. Ist doch bestimmt ganz spannend, oder?«
Wenn es auch ein paar zeitliche Lücken gab, insgesamt bestätigte das Personal der Ulmenschenke die Angaben seines Chefs.
»Und? Was denkst du?«, fragte Angermüller seinen Kollegen auf dem kurzen Weg zurück in die Bezirkskriminalinspektion.
»Hat er uns alles gesagt?«
»Tscha, du stellst Fragen. Geschnackt hat er ja ohne Ende.«
»Ja, und ich finde, was der Beuerle über Hagebusch erzählt hat, war ganz aufschlussreich, anders als bei vielen anderen Zeugen. Ich kann mir jetzt wenigstens ein bisschen ein besseres Bild von dem Mann machen. Hab ihn selbst vorher ja nur ein paar Mal auf unseren Pressekonferenzen erlebt.«
»Ein Klookschieter war dat und ’n oller Gnadderkopp dazu«, fasste Jansen seine Meinung kurz und knapp zusammen.
Angermüller hatte bei den Begegnungen in der BKI
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