Geschöpfe der Nacht
gebe ihnen auch jeden Grund dazu, denn ihr Entsetzen erregt mich. Es widert mich an, aber… aber es erregt mich auch, was ich mit ihnen mache, es…«
Der Zorn, die Verzweiflung und die perverse Erregung ließen sich noch immer in seiner Stimme wahrnehmen, in seinem langsamen, schweren Atmen, in der Art und Weise, wie er die Schultern hochzog – und in der schwachen, aber abscheulichen Verzerrung seines Gesichts, die selbst im Profil offenkundig war. Zwischen diesen miteinander im Kampf liegenden Begehren, die um die Herrschaft über seinen Verstand rangen, befand sich jedoch auch die verzweifelte Hoffnung, den Absturz in den Abgrund aus Wahnsinn und Brutalität vermeiden zu können, an dessen Rand er das Gleichgewicht zu verlieren drohte, und diese Hoffnung drückte sich deutlich in der Qual aus, die nun in seiner Stimme und Haltung genauso deutlich wurde wie seine Wut, Verzweiflung und sein lasterhaftes Verlangen.
»Die Alpträume wurden so schlimm, die Dinge, die ich in ihnen tat, so pervers und schmutzig, so ekelhaft, daß ich Angst vor dem Einschlafen bekam. Ich blieb wach, bis ich völlig erschöpft war, bis kein noch so starker Kaffee mich mehr auf den Füßen halten konnte, bis selbst ein Eiswürfel, den ich auf den Nacken legte, nicht verhindern konnte, daß mir die brennenden Augen zufielen. Und wenn ich dann schließlich einschlief, waren die Träume intensiver denn je zuvor, als hätte die Erschöpfung mich in einen noch tieferen Schlaf getrieben, in eine tiefere Dunkelheit in mir, in der noch schlimmere Ungeheuer hausten. Sexuelle Erregung und Gemetzel, unaufhörlich und lebhaft, die ersten Träume, die ich je in Farbe hatte, so intensive Farben, und auch Geräusche, ihre bittenden Stimmen und meine unbarmherzigen Antworten, ihre Schreie und ihr Weinen, ihre Zuckungen und ihr Todesröcheln, wenn ich ihnen mit den Zähnen die Kehlen zerriß, während ich in sie hineinstieß.«
Lewis Stevenson schien diese schrecklichen Bilder förmlich dort zu sehen, wo ich nur den gemächlich wallenden Nebel erkennen konnte, als sei die Windschutzscheibe vor ihm eine Leinwand, auf die seine kranken Phantasien projiziert wurden.
»Und nach einer Weile… kämpfte ich nicht mehr gegen den Schlaf an. Eine Zeitlang ließ ich ihn einfach über mich ergehen. Dann, irgendwann – ich kann mich nicht mehr an die genaue Nacht erinnern – enthielten die Träume plötzlich keinen Schrecken mehr für mich und waren nur noch angenehm, obwohl sie zuvor eher Schuldgefühle als Vergnügen hervorgerufen hatten. Ich konnte es mir zuerst zwar nicht eingestehen, aber ich freute mich darauf, mich schlafen zu legen. Wenn ich wach war, bedeuteten diese Frauen mir alles, aber wenn ich schlief… dann… dann freute ich mich auf die Gelegenheit, sie zu entwürdigen, zu erniedrigen, sie auf einfallsreichste Weise zu quälen. Ich wachte nicht mehr angsterfüllt aus diesen Alpträumen auf… sondern mit einer seltsamen Glückseligkeit. Und ich lag im Dunkeln da und fragte mich, ob es nicht viel schöner wäre, diese Scheußlichkeiten tatsächlich zu begehen, statt nur von ihnen zu träumen. Ich mußte nur daran denken, meine Träume auszuleben, und wurde mir sofort dieser erstaunlichen Macht bewußt, die da in mich hineinfloß, und ich fühlte mich so frei, absolut frei, wie nie zuvor. Ich kam mir sogar vor, als hätte ich mein ganzes Leben lang in riesigen eisernen Fesseln verbracht, in Ketten geschlagen, von Steinblöcken hinabgezogen. Ich hatte den Eindruck, es wäre nicht verbrecherisch, diesem Verlangen nachzugeben, als hätte es nicht die mindeste moralische Dimension. Weder richtig noch falsch. Weder gut noch böse. Aber unglaublich befreiend .«
Entweder wurde die Luft im Streifenwagen zunehmend schal, oder mich machte die Vorstellung krank, dieselben Schwaden einzuatmen, die der Chief ausatmete; ich weiß es nicht genau. Mein Mund füllte sich mit einem metallischen Geschmack, als würde ich an einer Münze lutschen, mein Magen zog sich um einen Klumpen zusammen, der so kalt war wie ein Stein in der Arktis, und mein Herz war in Eis gehüllt.
Mir war nicht klar, warum Stevenson mir seine gequälte Seele offenbarte, doch bei mir stellte sich die Vorahnung ein, daß diese Geständnisse nur das Vorspiel einer haßerfüllten Enthüllung waren, von der ich mir wünschen würde, sie nie gehört zu haben. Ich wollte ihn zum Schweigen bringen, bevor er mir dieses letzte Geheimnis mitteilte, sah jedoch, daß irgend etwas ihn mit
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