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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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dem Bürgersteig auf die Knie, ließ die Glock aus der Hand gleiten und zog den Hund in meine Arme. Ich drückte ihn an mich, streichelte ihm den Kopf, glättete sein schwarzes Fell, schwelgte in seinem Hecheln, dem schnellen Hämmern seines Herzens, dem Schlagen mit dem Schwanz, ja sogar in seinem feuchten Geruch und dem Gestank seines Hundekuchenatems, der nach alten Cornflakes roch.
    Ich wagte nicht zu sprechen. Meine Stimme war ein Grundpfeiler, den man in meinem Hals eingemörtelt hatte. Sollte ich ihn umstürzen, würde vielleicht ein ganzer Damm zusammenbrechen, und ein Stammeln des Verlustes und der Sehnsucht würde sich aus mir ergießen, und alle ungeweinten Tränen um meinen Vater und um Angela Ferryman würden in einer Sturzflut herauskommen.
    Ich erlaubte mir kein Weinen. Ich wollte lieber ein Knochen sein, den die Zähne des Leids in trockene Splitter zernagt hatten, als ein Schwamm, den das Leid unaufhörlich mit den Händen drückte.
    Außerdem wären Worte hier nicht wichtig gewesen, selbst wenn ich mich soweit in der Gewalt gehabt hätte, daß ich hätte reden können. Orson mochte zwar ein ganz besonderer Hund sein, aber er würde sich auf keinen Fall in ein lebhaftes Gespräch mit mir vertiefen – zumindest nicht, bis ich meine belastende Vernunft über Bord warf und Roosevelt Frost bat, mich in der Tierkommunikation auszubilden.
    Als ich Orson endlich loslassen konnte, packte ich die Glock wieder und richtete mich auf, um den Parkplatz des Jachthafens mit Blicken abzusuchen. Der Nebel verbarg die meisten der wenigen Personenwagen und Kleinlaster, die der Handvoll Leute gehörten, die auf ihren Schiffen wohnten. Niemand war zu sehen, und bis auf den im Leerlauf schnurrenden Motor des Streifenwagens blieb die Nacht still.
    Offensichtlich waren der Lärm der Schüsse zum größten Teil auf den Streifenwagen beschränkt geblieben und vom Nebel geschluckt worden. Die nächsten Häuser standen zwei Blocks entfernt außerhalb des Geschäftsbereichs des Jachthafens. Und falls jemand auf den Booten wach geworden war, ging er anscheinend davon aus, daß diese vier gedämpften Explosionen lediglich Fehlzündungen von Automotoren gewesen waren oder Traumtüren, die zwischen der Welt des Schlafes und der des Wachens zugeschlagen worden waren.
    Ich schwebte nicht in unmittelbarer Gefahr, gefaßt zu werden, konnte aber auch nicht einfach davonradeln und hoffen, einer Anklage und Bestrafung zu entgehen. Ich hatte den Polizeichef getötet, und auch, wenn er nicht mehr der Mann gewesen war, den Moonlight Bay so lange gekannt und bewundert hatte, auch wenn er sich von einem pflichtbewußten Beamten in ein Wesen verwandelt hatte, dem sämtliche grundlegenden Elemente der Menschlichkeit fehlten, konnte ich nicht beweisen, daß dieser Held zu genau dem Monstrum geworden war, vor dem seine Mitbürger zu schützen er geschworen hatte.
    Die forensischen Beweise würden mich überführen. Da es sich bei dem Opfer um eine Persönlichkeit handelte, würden erstklassige Polizeilabortechniker sowohl aus dem Bezirk als auch von staatlichen Stellen den Fall bearbeiten, und wenn sie den Streifenwagen untersuchten, würde ihnen nichts entgehen.
    Ich würde eine Haft in einer engen, von Kerzen erhellten Zelle nicht überstehen. Obwohl mein Leben durch das Vorhandensein von Licht eingeschränkt wird, dürfen mich zwischen Sonnenuntergang und Morgendämmerung keine Mauern umschließen. Das wird auch niemals der Fall sein. Die Dunkelheit geschlossener Räume unterscheidet sich grundlegend von der Dunkelheit der Nacht; die Nacht hat keine Grenzen und bietet endlose Geheimnisse an, Entdeckungsmöglichkeiten, Wunder, Gelegenheiten zur Freude. Die Nacht ist das Banner der Freiheit, unter dem ich lebe, und ich werde in Freiheit leben oder sterben.
    Mich machte die Vorstellung krank, in den Streifenwagen mit dem Toten zurückzukehren und alles abzuwischen, worauf ich vielleicht Fingerabdrücke hinterlassen hatte. Es wäre sowieso ein vergebliches Unterfangen gewesen, denn irgendeine kritische Stelle hätte ich bestimmt übersehen.
    Außerdem waren Fingerabdrücke wahrscheinlich nicht die einzigen Beweise, die ich zurückgelassen hatte. Haare. Ein Faden von meinen Jeans. Ein paar winzige Fasern von meiner Mystery-Train-Mütze. Orsons Haare auf dem Rücksitz, die Spuren seiner Krallen auf dem Polster. Und zweifellos andere, genauso oder noch stärker belastende Dinge.
    Ich hatte verdammtes Glück gehabt. Niemand hatte offenbar die Schüsse

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