Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Aussicht auf eine Haftstrafe konnte mich dazu bewegen, mein Taschenmesser hervorzuholen und eine behelfsmäßige Operation zu vollziehen, um das belastende Geschoß zu entfernen.
    Wäre ich ein anderer Mensch gewesen als der, der ich war, und hätte ich die Nerven für solch eine improvisierte Autopsie gehabt, hätte ich sie trotzdem nicht riskiert. Angenommen, Stevensons radikale Persönlichkeitsveränderung – sein neues Verlangen nach Gewalt – war nur ein Symptom der unheimlichen Krankheit, die er in sich trug, und ebenfalls vorausgesetzt, diese Krankheit wurde durch den Kontakt mit infiziertem Gewebe und Körperflüssigkeiten übertragen, kam so eine abscheuliche Arbeit einfach nicht in Frage. Genau aus diesem Grund hatte ich auch sorgsam darauf geachtet, nicht von seinem Blut besudelt zu werden.
    Während der Chief mir etwas über seine Träume von Vergewaltigung und Verstümmelung erzählte, hatte ich mich vor der Vorstellung geekelt, dieselbe Luft zu atmen wie er. Ich bezweifelte jedoch, daß die Mikrobe, die er in sich trug, durch die Luft übertragen wurde. Wäre sie dermaßen ansteckend gewesen, wäre Moonlight Bay keine Achterbahn, die direkt in die Hölle raste, wie er behauptet hatte: Dann wäre die Stadt schon längst in der Schwefelgrube angekommen.
    Tick, tick, tick.
    Dem Anzeiger im Armaturenbrett zufolge war der Benzintank fast voll. Gut. Ausgezeichnet. Am frühen Abend hatte die Schar in Angelas Haus mir gezeigt, wie man Beweise vernichtet und mit viel Glück sogar einen Mord vertuscht.
    Das Feuer müßte eigentlich so heiß werden, daß die vier Messingpatronen, die Blechbestandteile des Wagens und sogar Teile des schwereren Rahmens schmolzen. Vom verstorbenen Lewis Stevenson würde kaum mehr als verkohlte Knochen übrig bleiben, und die weiche Bleikugel würde sich praktisch auflösen. Und ganz bestimmt würden keine meiner Fingerabdrücke, Haare oder Kleidungsfasern den Brand überstehen.
    Die zweite Kugel hatte den Hals des Chiefs durchschlagen und das Fenster auf der Fahrerseite zerschmettert. Sie lag nun irgendwo auf dem Parkplatz oder, mit etwas Glück, tief auf dem efeubedeckten Hang, der sich vom anderen Ende des Parkplatzes zu dem höhergelegenen Embarcadero Way erhob, wo man sie wohl kaum finden würde.
    An meiner Jacke hafteten belastende Pulverspuren. Ich hätte sie in den Streifenwagen werfen sollen, konnte es aber nicht. Ich liebte diese Jacke. Sie war cool. Das Loch, das die Kugel in die Tasche gestanzt hatte, machte sie irgendwie noch cooler.
    » Irgendeine Chance muß ich den alten Jungfern von Lehrerinnen ja geben«, murmelte ich, als ich die Vorder- und Hintertüren des Wagens schloß.
    Das kurze Lachen, das über meine Lippen kam, war so humorlos und rauh, daß es mich fast so sehr verängstigte wie die Aussicht auf einen Gefängnisaufenthalt.  Ich warf das Magazin der Glock aus, nahm eine Patrone heraus, womit noch sechs übrig blieben, und schob es dann wieder in die Waffe zurück. Orson jaulte ungeduldig und nahm ein Ende der Zündschnur aus Verbandstoff ins Maul.
    »Ja, ja, ja«, sagte ich – und betrachtete ihn dann so verdutzt, wie es sein Verhalten verdiente.
    Der Hund hatte die Zündschnur vielleicht nur ins Maul genommen, weil er neugierig war, worum es sich dabei handelte, wie Hunde eben ihrer gesamten Umwelt mit Neugier begegnen.
    Komisches weißes Seil. Wie eine Schlange, Schlange, Schlange… aber keine Schlange. Interessant. Interessant. Herrchen Snows Geruch daran. Schmeckt vielleicht ganz gut. Schließlich schmeckt ja fast alles ganz gut.
    Daß Orson die Zündschnur aufgenommen hatte und ungeduldig jaulte, bedeutete noch lange nicht, daß er ihren Zweck verstand oder den Hintergrund des gesamten Plans, den ich ausgeheckt hatte. Sein Interesse – und unheimliches Timing – mochte rein zufällig sein.
    Ja. Klar. Genauso zufällig wie der Umstand, daß am Sylvesterabend um Mitternacht immer Feuerwerkskörper am Himmel explodierten.
    Mein Herz hämmerte wieder heftiger; ich rechnete damit, jeden Augenblick entdeckt zu werden. Ich nahm Orson die zusammengedrehte Zündschnur ab und knotete das eine Ende sorgfältig um die Patrone.
    Er beobachtete mich genau.
    »Bist du mit dem Knoten zufrieden«, fragte ich, »oder möchtest du lieber selbst einen binden?«
    Ich ging zum Benzintank und ließ das Ende mit der Patrone langsam hineinsinken. Ihr Gewicht zog das Verbandsmaterial bis ganz nach unten. Wie ein Docht sog der überaus saugfähige Stoff augenblicklich

Weitere Kostenlose Bücher