Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
schwappten die tintigen Wellen des weiten Pazifiks.
    Die Brandung war sanft. Weit auseinanderliegende, niedrige Brecher glitten ans Ufer und breiteten gemächlich ihre leuchtenden Schaumkronen aus, die sich von rechts nach links wie eine weiße Schwarte vom dunklen Fleisch der See abschälten.
    Ich saß im Sand, beobachtete die Brandung und dachte daran, daß wir bald schon Weihnachten hatten. Noch zwei Wochen. Ich wollte nicht an Weihnachten denken, aber das Fest funkelte und klimperte durch meinen Kopf.
    Ich wußte nicht, was Bobby dachte. Ich fragte ihn auch nicht danach. Ich wollte nicht sprechen. Er offenbar auch nicht.
    Ich dachte darüber nach, wie Weihnachten für den kleinen Devlin Acquilain ohne seine Mutter sein würde. Vielleicht war er noch zu jung, um zu begreifen, was der Tod bedeutete.
    Aber Tom Acquilain, ihr Mann, wußte ganz bestimmt, was der Tod bedeutete. Trotzdem würde er wahrscheinlich einen Weihnachtsbaum für Devlin schmücken.
    Wie würde er die Kraft finden, das Lametta an die Zweige zu hängen?
    Dann sprach Bobby doch, zum erstenmal, seit wir gesehen hatten, wie das Laken von der Leiche der Frau zurückgeschlagen wurde. »Gehen wir schwimmen«, sagte er einfach.
    Obwohl der Tag recht warm gewesen war, war es immer noch Dezember, und es war kein Jahr, in dem El Nino – die warme Strömung aus der südlichem Hemisphäre – nah ans Ufer kam. Die Wassertemperatur war wenig einladend, und die Luft ziemlich kühl.
    Nachdem Bobby sich ausgezogen hatte, faltete er seine Kleidung zusammen und stapelte sie, um den Sand von ihr fernzuhalten, ordentlich auf eine verhedderte Matte aus Seetang, der an diesem Tag ans Ufer gespült und von der Sonne getrocknet worden war. Ich legte meine Sachen gefaltet neben seine.
    Nackt wateten wir ins schwarze Wasser und schwammen dann gegen die Strömung hinaus. Wir entfernten uns ziemlich weit vom Ufer.
    Wir wandten uns nach Norden und schwammen parallel zur Küste. Leichte Züge. Minimales Treten. Gekonnt auf dem Auf und Ab der Wellen gleitend. Wir schwammen gefährlich weit hinaus.
    Normalerweise empfindet ein Schwimmer kaltes Wasser als nicht mehr so unangenehm, nachdem er sich eine Weile darin befunden hat; während die Körperaußentemperatur sinkt, nimmt er den Unterschied zwischen Haut- und Wassertemperatur nicht mehr so deutlich wahr. Überdies erzeugt die Anstrengung den Eindruck von Hitze. Ein beruhigendes, aber falsches Gefühl von Wärme kann entstehen, und das ist gefährlich.
    Das Wasser damals wurde jedoch in gleichem Maß kälter, wie unsere Körperaußentemperatur sank. Bei uns stellte sich kein falscher Eindruck von Behaglichkeit ein.
    Nachdem wir so weit nach Norden geschwommen waren, hätten wir uns zum Ufer wenden sollen. Hätten wir auch nur einen Funken Verstand gehabt, wären wir zu Fuß zu dem Haufen aus getrocknetem Seetang zurückgegangen, auf dem wir unsere Kleidung zurückgelassen hatten.
    Statt dessen hielten wir lediglich inne, traten Wasser und sogen mit tiefen, zitternden Atemzügen Luft ein, die so kalt war, daß sie die kostbare Wärme aus unseren Kehlen trieb. Dann wandten wir uns, noch immer zu weit vom Ufer entfernt, gleichzeitig und wortlos nach Süden, um denselben Weg zurückzuschwimmen, den wir gekommen waren.
    Meine Glieder wurden schwerer. Schwache, aber furchteinflößende Krämpfe durchzuckten meine Bauchdecke. Mein Herz pochte so heftig, daß seine Schläge mich unter die Wasseroberfläche zu drücken schienen.
    Obwohl die Dünung noch so schwach war wie zuvor, als wir ins Wasser gegangen waren, fühlte sie sich jetzt heimtückischer an. Die Wellen bissen uns mit ihren Zähnen aus kaltem weißem Schaum.
    Wir schwammen Seite an Seite, achteten darauf, uns nicht aus den Augen zu verlieren. Der Winterhimmel bot keinen Trost, die Lichter der Stadt waren so weit entfernt wie die Sterne, und das Meer war feindselig. Wir hatten lediglich unsere Freundschaft, wußten jedoch, daß im Zweifelsfall jeder von uns sein Leben geben würde, um den anderen zu retten.
    Als wir unseren Ausgangspunkt erreichten, hatten wir kaum noch die Kraft, uns aus der Brandung zu schleppen. Uns war vor Anstrengung kotzübel, wir waren völlig ausgelaugt und bleicher als der Sand. Heftig zitternd, spuckten wir den strengen Geschmack des Meeres aus.
    Uns war so bitter kalt, daß wir uns die Hitze des Krematoriumofens nicht mehr vorstellen konnten. Selbst nachdem wir uns wieder angezogen hatten, froren wir noch, und zwar ziemlich.
    Wir schoben unsere

Weitere Kostenlose Bücher