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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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dem Anfertigen von Puppen.
    Ein kurzer Blick den Gang entlang. Noch immer allein.
    In Bewegung bleiben. Kein leichtes Ziel abgeben.
    Ich stieß die Tür zum Hobbyraum ganz auf. Niemand verbarg sich dahinter.
    Ich trat kurz in den hell erleuchteten Raum und blieb dabei seitlich zur Diele, um beides einsehen zu können.
    Angela war eine gute Puppenmacherin, wie die dreißig Puppen auf den Regalbrettern einer offenen Vitrine am anderen Ende des Hobbyraums bewiesen. Ihre Schöpfungen waren mit phantasievollen, sorgfältig detailgetreuen Kostümen bekleidet, die Angela selbst genäht hatte: Cowboy- und Cowgirlanzüge, Matrosenanzüge, Partykleider mit Pettycoats… Das Wunderbare an den Puppen waren jedoch die Gesichter. Angela hatte jeden Kopf mit Geduld und großem Talent geformt und in einem kleinen Trockenofen in der Garage gebrannt. Einige bestanden aus mattem Biskuitporzellan. Andere waren glasiert. Alle waren mit solch einer Detailbesessenheit bemalt worden, daß ihre Gesichter völlig echt wirkten.
    Im Lauf der Jahre hatte Angela einige Puppen verkauft und viele verschenkt. Diese hier waren ihr anscheinend besonders ans Herz gewachsen, daß sie sich nicht hatte von ihnen trennen wollen. Selbst unter diesen Umständen – während ich nach einem Psychopathen mit einem Brotmesser Ausschau hielt – sah ich, daß jedes Gesicht einzigartig war – als hätte Angela nicht nur Puppen gemacht, sondern sich liebevoll die möglichen Gesichter der Kinder vorgestellt, die sie niemals in ihrem Leib getragen hatte.
    Ich schaltete die Deckenlampe aus und ließ nur eine auf einem Arbeitstisch an. Als die Schatten plötzlich anschwollen, schienen die Puppen auf den Regalbrettern ihr Gewicht zu verlagern, als bereiteten sie sich darauf vor, zu Boden zu springen. Ihre bemalten Augen – einige hell vor Punkten reflektierten Lichts, andere mit einem starren, tintenschwarzen Blick – schienen aufmerksam und eindringlich zu sein.
    Mir ging die Muffe. Ganz gewaltig.
    Die Puppen waren nur Puppen. Sie stellten keine Bedrohung für mich dar.
    Ich kehrte auf den Korridor zurück und schwang die Glock nach links, rechts und wieder links. Niemand.
    Die nächste Tür auf dieser Seite führte ins Bad. Selbst mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen, die den blendenden Glanz von Porzellan und Glas und Spiegeln und gelben Keramikfliesen herausfiltern sollten, konnte ich in jede Ecke sehen. Niemand lauerte dort.
    Als ich in das Badezimmer griff, um das Licht auszuschalten, hörte ich hinter mir ein Geräusch. Irgendwo im oder vor dem Schlafzimmer. Ein schnelles Klopfen, wie von Knöcheln auf Holz. Aus den Augenwinkeln sah ich eine Bewegung.
    Ich wirbelte in die Richtung des Geräusches herum und packte die Glock wieder mit beiden Händen, als wüßte ich, verdammt noch mal, was ich da tat, während ich Willis und Stallone und Schwarzenegger und Eastwood und Cage imitierte, die ich in Hunderten von Filmen gesehen hatte, in denen nur gesprungen und gelaufen und geballert und gehetzt wurde, als glaubte ich wirklich, daß sie wüßten, verdammt noch mal, was sie da taten. Ich rechnete damit, eine riesenhafte Gestalt zu sehen, Augen mit einem wahnsinnigen Blick, einen gehobenen Arm, ein herabschwingendes Messer, aber ich war noch immer allein im Korridor.
    Die Bewegung, die ich gesehen hatte, war die der Schlafzimmertür, die von innen zugestoßen wurde. Im schmaler werdenden Lichtkeil zwischen der sich bewegenden Tür und dem Pfosten tauchte ein verzerrter Schatten auf, wand sich und schrumpfte. Die Tür fiel mit einem satten Geräusch zu, das sich anhörte, als hätte man den Tresorraum einer Bank geschlossen.
    Das Schlafzimmer war leer gewesen, als ich es verlassen hatte, und niemand war an mir vorbeigegangen, nachdem ich in den Korridor getreten war. Nur der Mörder konnte darin sein – und nur, wenn er vom Verandadach aus, auf dem er gewartet hatte, als ich Angelas Leiche fand, durch das Badezimmerfenster zurückgekehrt war.
    Doch wenn der Mörder schon wieder im Schlafzimmer war, konnte er nicht kurz davor hinter mir gewesen sein und die Lampen im ersten Stock eingeschaltet haben. Also gab es zwei Eindringlinge, und ich war zwischen ihnen gefangen.
    Sollte ich vorwärts oder zurück gehen? Eine lausige Wahl. So oder so würde ich in die Scheiße treten, und zwar ohne Gummistiefel.
    Die würden bestimmt damit rechnen, daß ich zur Treppe lief. Aber es war sicherer, das Unerwartete zu tun, also stürmte ich ohne das geringste Zögern zur

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