Geschöpfe der Nacht
einzustecken und ein Messer aus der Schublade zu nehmen. Als Angela mir die Geschichte mit dem Affen erzählte, hatte sie mir ja gezeigt, wo sie die Messer aufbewahrte.
Die Vernunft siegte. Mit Messern konnte ich genausowenig umgehen wie mit Pistolen.
Außerdem ist das so eine Sache, mit einem Messer auf einen anderen Menschen einzustechen und ihn auszuweiden. Dazu ist eine Skrupellosigkeit erforderlich, die mir größer als die vorkommt, die man braucht, um einen Abzug durchzuziehen. Ich vermutete, daß ich gegebenenfalls dazu fähig war, das zu tun, was nötig war, um mein Leben – oder Angelas – zu schützen, aber ich konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, daß ich eher imstande war, einen verhältnismäßig trockenen Schuß abzugeben, als die nasse Schmutzarbeit zu erledigen, im Nahkampf auf einen Gegner einzustechen, der mir in die Augen sah. Einmal in der Zwickmühle, könnte ein Zurückschrecken tödlich ausgehen.
Als dreizehn Jahre alter Junge hatte ich in ein Krematorium schauen können. Doch all diese Jahre später war ich noch immer nicht imstande, die grausigere Show in einer Einbalsamierungskammer zu betrachten.
Ich ging schnell durchs Eßzimmer und rief wieder nach Angela. Auch diesmal antwortete sie nicht.
Ich wollte sie nicht ein drittes Mal rufen. Falls tatsächlich ein Eindringling im Haus war, würde ich jedesmal, wenn ich Angelas Namen rief, lediglich meinen Standort verraten.
Im Wohnzimmer hielt ich nicht inne, um die Lampe auszuschalten, sondern schlug einen weiten Bogen darum und wandte das Gesicht ab.
Ich blinzelte in die stechenden Schauer des Lichts in der Diele und schaute durch die offene Tür zum Arbeitszimmer. Niemand befand sich dort.
Die Tür des Ankleidezimmers stand einen Spaltbreit offen. Ich stieß sie ganz auf. Ich mußte nicht das Licht einschalten, um festzustellen, daß sich auch dort niemand befand.
Ohne die Mütze, die ich auf dem Küchentisch zurückgelassen hatte, kam ich mir nackt vor, und ich schaltete die Deckenlampe in der Diele aus. Soweit ich es sagen konnte, brannte im ersten Stock kein Licht – wogegen ich nicht das geringste hatte. Meine an die Dunkelheit gewöhnten Augen waren mein größter Vorteil.
An meinem Gürtel hing das Handy. Als ich die Treppe hinaufstieg, zog ich kurz in Betracht, die Polizei anzurufen.
Nachdem ich allerdings an diesem Abend unsere Verabredung nicht eingehalten hatte, suchte Lewis Stevenson ja vielleicht schon nach mir. Falls ja, würde der Chief persönlich auf diesen Anruf reagieren. Eventuell würde der Glatzkopf mit dem Ohrring ihn begleiten.
Manuel Ramirez konnte mir nicht helfen, denn er schob an diesem Abend im Revier Dienst und konnte es also nicht verlassen. Soweit ich inzwischen wußte, war Chief Stevenson vielleicht nicht der einzige kompromittierte Cop in Moonlight Bay; vielleicht war jeder Angehörige der Truppe – außer Manuel – in diese Verschwörung verstrickt. Eigentlich konnte ich auch Manuel trotz unserer Freundschaft nicht vertrauen, nicht, bis ich wesentlich mehr über die ganze Sache in Erfahrung gebracht hatte.
Während ich die Treppe hinaufstieg, hielt ich die Glock mit beiden Händen fest, bereit, auf den Knopf des Lasersichtgeräts zu drücken, falls sich jemand bewegte. Ich mahnte mich aber ständig, daß es nicht angebracht war, den Helden zu spielen und unter Umständen versehentlich Angela zu erschießen.
Ich drehte mich auf dem Treppenabsatz um und sah, daß die obere Flucht dunkler war als die untere. Das Licht, das aus dem Wohnzimmer fiel, reichte nicht so hoch. Ich ging schnell und leise hinauf.
Mein Herz schlug keineswegs im Leerlauf, eher schon hochtourig, aber ich war überrascht, daß es nicht geradezu raste. Noch gestern hätte ich mir nicht vorstellen können, daß ich imstande war, mich so schnell dem Angesicht drohender Gewalt anzupassen. Allmählich nahm ich in mir sogar eine irritierende Begeisterung für Gefahr wahr.
Vom Korridor im ersten Stock zweigten vier Türen ab. Drei waren geschlossen. Die vierte – die am weitesten von der Treppe entfernt war – stand weit offen, und aus dem Raum dahinter fiel weiches Licht.
Mir war gar nicht wohl dabei, an den drei geschlossenen Türen vorbeizugehen, ohne mich davon zu überzeugen, daß sich niemand dahinter aufhielt. Damit war mein Rücken angreifbar.
Doch aufgrund meiner XP und besonders des Umstands, wie schnell meine Augen brannten und tränten, wenn sie sehr hellem Licht ausgesetzt waren, konnte ich diese Räume
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