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Geschöpfe der Nacht

Geschöpfe der Nacht

Titel: Geschöpfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung: den verschwommenen Schemen eines Mannes, der halb gebückt von Osten nach Westen am Cottage vorbeilief und dann mit langen, fließenden Schritten in die letzte Dünenreihe hinein, die die Kuppe des Hangs zum Strand markierte, etwa zwölf Meter von mir entfernt.
    Ich schwang herum und riß die Glock hoch. Der laufende Mann hatte sich entweder zu Boden geworfen oder war nur ein Phantom gewesen.
    Ich fragte mich kurz, ob es Pinn gewesen war. Nein. Orson hätte keine Angst vor Jesse Pinn oder irgendeinem wie ihm gehabt.
    Ich lief über die Veranda und die drei Holzstufen hinab und blieb im Sand stehen, betrachtete die umliegenden Dünen genauer. Verstreut stehende Büschel hohen Grases wogten in der Brise. Einige der Lichter am Strand schimmerten auf dem plätschernden Wasser der Bucht. Sonst bewegte sich nichts.
    Wie eine zerrissene Bandage, die man vom trockenen, weißen Gesicht eines mumifizierten Pharaos gewickelt hatte, wand sich eine lange, schmale Wolke vom Kinn des Mondes fort.
    Vielleicht war der Läufer lediglich der Schatten einer Wolke gewesen. Vielleicht. Aber ich glaubte es nicht.
    Ich warf einen Blick zurück zur offenen Tür des Häuschens. Orson hatte sich weiter von der Schwelle zurückgezogen, tiefer in den vorderen Raum. Heute fühlte er sich in der Nacht nicht wohl.
    Ich fühlte mich auch nicht ganz wohl.
    Sterne. Mond. Sand. Gras. Und das Gefühl, beobachtet zu werden.
    Von dem Hang aus, der sich zum Strand senkte, oder durch die Deckung des Grases aus einer flachen Rinne zwischen den Dünen beobachtete mich jemand. Ein Blick kann Gewicht haben, und dieser näherte sich mir wie eine Reihe von Wellen, nicht wie eine langsame Brandung, sondern wie übermannsgroße Brecher, die auf mich einschlugen.
    Jetzt war der Hund nicht mehr der einzige, dem sich das Fell sträubte.
    Als ich mir gerade Sorgen zu machen begann, daß Bobby vielleicht überhaupt nicht mehr zurückkommen würde, tauchte er um die östliche Ecke des Häuschens auf. Als er näher kam und mit den nackten Füßen kleine Sandwolken aufwirbelte, sah er mich nicht einmal an, sondern ließ den Blick unaufhörlich von einer Düne zur nächsten wandern.
    »Orson sträubt sich das Fell«, sagte ich.
    »Glaube ich nicht«, sagte Bobby.
    »Er dreht völlig durch. So was hat er noch nie gemacht. Dieser Hund hat eigentlich Mumm wie sonst keiner.«
    »Tja, wenn er wirklich Schiß hat«, sagte Bobby, »mache ich ihm keine Vorwürfe. Auch ich hätte mir fast in die Hosen gemacht.«
    »Da draußen ist jemand.«
    »Mehr als einer.«
    »Wer?«
    Bobby antwortete nicht. Er hielt die Schrotflinte nicht mehr ganz so fest, aber weiterhin schußbereit, während er die umgebende Nacht studierte.
    »Sie sind also schon mal hier gewesen«, sagte ich.
    »Ja.«
    »Warum? Was wollen sie?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wer sind sie?« fragte ich erneut.
    Wie zuvor antwortete er nicht.
    »Bobby?« hakte ich nach.
    Eine große weiße Masse, an die hundert Meter hoch, schälte sich im Westen langsam aus der Dunkelheit über dem Meer: eine Nebelbank, enthüllt im weißen Glanz des Mondes, die sich weit nach Norden und Süden erstreckte. Ob der Nebel nun das Land berührte oder die ganze Nacht über dem Ufer hing, er schob einen beruhigenden Druck vor sich her. Auf leisen Schwingen flog eine Formation Pelikane tief über die Halbinsel und verschwand über dem schwarzen Wasser der Bucht. Als der letzte Rest der auflandigen Brise abklang, ließ das hohe Gras die Köpfe hängen und stand ganz still da, und ich konnte die leise Brandung besser hören, die sich am Ufer der Bucht brach, obwohl das Geräusch weniger ein Grollen als ein einlullendes Eiapopeia war.
    Auf der Landspitze ritzte ein Schrei, der so unheimlich war wie der eines Verrückten – oder eines Seetauchers –, die immer tiefer werdende Stille an. Ein anderer, genauso scharf und angsteinflößend, antwortete aus den Dünen beim Haus.
    Ich wurde an diese alten Wildwestfilme erinnert, in denen die Indianer des Nachts einander zurufen und Vögel und Kojoten imitieren, um ihre Vorgehensweise zu koordinieren, bevor sie dann die umzingelte Wagenburg der Siedler angreifen.
    Bobby schoß mit der Schrotflinte auf einen Sandhügel ganz in der Nähe und erschreckte mich damit dermaßen, daß es mir fast eine Herzklappe zerrissen hätte.
    Als die Echos des Knalls von der Bucht zurückgeworfen wurden und erneut zurückwichen und der letzte Widerhall dann von dem riesigen Nebelkissen im

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