Geschöpfe der Nacht
sie mit unsichtbaren Ketten zurück; sie verließen ihre Plätze nicht. Als Lukas friedfertig herangetappt kam, verloren auch sie ihren Kampfgeist und verstummten in niederkauernder Unterwerfung.
»Sehen Sie, Shankar!« rief Ab, und seine Stimme klang plötzlich laut und befreit. »Dachten Sie, Ihre Hunde würden sich einem Wolf entgegenstellen? Ohne den Zwang der Disziplin wären sie vielleicht zu dritt über ihn hergefallen. Aber jeder war allein an seinem Platz, und der alte Instinkt zwang sie in die Unterwerfung. Wie Rafe sagte – die wirkliche Kontrolle liegt tiefer.«
Lukas hatte sich von den Hunden abgewandt und war näher an den Thronsessel herangegangen. Nun blieb er stehen und blickte zu Shankar auf, wie er zu Shaitan aufgeblickt hatte.
»Kleine Männer«, sagte Shankar, »sind immer Dummköpfe.«
Er legte seine Hand auf die Armlehne seines Thronsessels und berührte etwas. Im geschnörkelten Ende der Armlehne wurde eine kleine Öffnung sichtbar, und für die Dauer einer Sekunde blitzte ein scharf gebündelter weißer Lichtstrahl heraus.
Lukas stieß ein scharfes, plötzlich abbrechendes Geheul aus. Er sprang mit allen vieren gleichzeitig in die Luft und landete bäuchlings auf den blanken Fliesen. Der Gestank von verbranntem Fell verbreitete sich im Raum. Lukas kam noch einmal hoch, aber seine Beine gaben immer wieder nach, als er sich taumelnd davonschleppte. Auf halbem Weg zwischen Shankar und dem Sessel, wo Gabrielle neben Ab saß, brach er sterbend zusammen.
»Meine …«, rasselte seine Stimme. Er versuchte seinen Kopf zu heben, doch es gelang ihm nicht mehr. »Meine Gab…«
Sein Kopf fiel. Ein Zucken lief durch seinen Körper, und seine Beine streckten sich. Dann lag er still.
Für Rafe brach die Welt auseinander. Zum letzten Mal vereinigte die Einfühlung seine Seele mit Lukas’. Der Wolf antwortete ihm nicht mehr, aber auf einmal war ihm, als sei er selbst der sterbende Wolf und wisse alles, was der Wolf gewußt und geliebt und vor einem Feind verloren hatte, der für das einfache Tiergehirn immer zu gut bewaffnet gewesen war.
»Nein«, sagte er zu Shankar, und ihm war, wie wenn er seine Stimme aus weiter Ferne hörte. Ab war neben Lukas auf die Knie gefallen und streichelte den haarigen Kopf. Skankars Fingerspitzen waren noch immer an der Armlehne seines Thronsessels. »Nein«, sagte Rafe. »Lukas wird nicht sterben. Diesmal sind Sie es, der sterben wird – von meiner Hand.«
In ihm waren eine schreckliche Trauer und eine Wut, die nichts mit Worten zu tun hatte, die er nur durch Handeln ausdrücken konnte. Seine Augen bohrten sich in Shankars, und gesprochene Worte waren überflüssig. Verstehen war zwischen ihnen – das Verstehen zweier Männer, die still zur Seite gehen und wissen, daß nur einer von ihnen zurückkommen wird.
Lukas ist der letzte, sagte Rafes Verstehen zu Shankars. Der letzte von denen, die gegen dich antraten, um getötet zu werden. Du wirst kein lebendes Wesen mehr töten …
Zeit und Raum veränderten sich um sie. Illusion oder Realität, es machte keinen Unterschied, denn die einzige wichtige Wirklichkeit war nun der Raum, der sie voneinander trennte. Die Welt ringsum schrumpfte. Das Sonnensystem, das Universum schrumpften zu einer Blase; aus der die beiden Kontrahenten emporschwollen, bis sie größer waren als die Blase, zu der sie gehörten – diese Welt im geschrumpften Universum, diese Insel in der winzigen Welt, diese Gebäude auf diesem Stäubchen von einer Insel, diese kleine Entfernung zwischen Rafe und dem Mann auf dem Thron …
Sie betrug weniger als acht Meter, die Distanz, die sie voneinander trennte. Aber sie war auch weiter als zweimal um das Universum. Sie starrten einander in die Augen; und aus Raum und Insel, Welt und Universum floß jedem von ihnen, getragen von den Trägerwellen der Sendeenergie, jene Art von Kraft zu, der jeder von ihnen am nächsten verwandt war; und sie kam von allem anderen Leben auf der Erde.
Unsichtbaren Feuerströmen gleich – einer hell, einer dunkel – stauten sich die Kräfte in ihnen auf. Rafe tat einen Schritt.
Shankars Finger berührten die Armlehne, und wieder zuckte das weiße Licht aus der kleinen Öffnung. Aber dieses Mal mußte der Laserstrahl zweimal das Universum umkreisen, um zu töten, und im veränderten Raum zwischen Rafe und Shankar erlosch er nach wenigen Zentimetern.
Rafe tat einen weiteren Schritt. Der Raum wurde dunkel.
Der Wolf war nur eine Bestie, sagte Shankars Verstehen zu Rafe,
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