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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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Sorgen um ihn, was sie gerne tat, da ansonsten nicht viel los war in ihrem Leben. Die Mädchen waren glatt, jung und voller Erwartung, mit dem Erben eines Frotteekonzerns in ein paar Jahren eine Familie zu gründen, an der Upper East Side oder in einem Haus in New Hampton zu wohnen. Sie wussten schon, wie die Kissen bestickt sein würden, und hatten bereits das Sofa ausgewählt. Sie wussten, wie der erste Sohn heißen und was der zweite Sohn studieren würde, wie ihre Abschlussdiplome ausfallen würden, sie hatten ihr ganzes Leben schon einmal durchlebt, und es war nur noch eine Frage des Anstands, es öffentlich aufzuführen, an der Seite von Kurt Tietjen. Dieser aber machte sich schneller aus dem Staub, als sie greifen konnten, und zog sich, sobald sich ihm die Gelegenheit bot, mit einem Stapel Illustrierter in sein Gästezimmer zurück.
    Begierig las er Artikel über Einwanderer, die binnen weniger Jahre als Unternehmer reich geworden waren, und mit noch größerer Lust verfolgte er die Geschichten von Niederlagen, von Unternehmern, die innerhalb weniger Monate alles verloren hatten. Hier konnte sich ein Leben noch verändern, hier legte die Herkunft nicht alles fest. Nächtelang blieb er wach und sah auf die erleuchteten Büroetagen im Süden der Stadt. Er stellte sich die Männer hinter den Fenstern vor, elegant wie Cary Grant, die von einer texanischen Farm oder aus einem irischen Dorf gekommen waren und auch wieder dorthin zurückkehren konnten, wenn sie denn wollten, diese Männer, die sich von niemandem zwingen ließen.
    Er selbst musste am nächsten Morgen übermüdet zu einem Tennismatch gegen eine weitere Tochter aus gutem Hause antreten. Grundsätzlich hatte er nichts gegen diese Mädchen, er interessierte sich lediglich weder für Sport noch für New Hampton, was für alle um ihn her unvorstellbar war.
     
    Dass Frauen ihn nur seines Geldes wegen lieben würden, hatte seine Mutter ihm prophezeit. Sie wollen nur dein Geld. Es war ihre alte und faltige Angst gewesen, das eigene Erbe an jemanden abzugeben, die seiner Mutter keine Ruhe gelassen hatte. Sie hatte über die Besitzverhältnisse gewacht, als wären das die Fäden, die die Welt zusammenhielten. Und selbst wenn sie es waren, dachte Kurt, selbst wenn.
    Am 16. Mai ging er spazieren, am 17. Mai lief er manisch Stunde um Stunde durch die Straßen, er überquerte den Columbus Square, ließ sich im Central Park von Rollschuhfahrern einholen, folgte der 74th East, dann der Park Avenue. Um 17.15 Uhr hob die Maschine ab, die ihn nach Düsseldorf hätte zurückbringen sollen. Zu dem Zeitpunkt stand Kurt Tietjen in der Second Avenue und sah den Autos nach, die auf die Brooklyn Bridge fuhren, er selbst ging nicht noch einmal auf die andere Seite des East River, wenn er auch immer wieder daran dachte.
    Erschöpft war sein Blick zwischen den rechten Winkeln hin und her getrieben. Diese in Glas erstarrte Stadt. Vollständig in Rechtecke aufgeteilt: Häuser Fenster Straßen Höhen Längen Breiten. Blaustichig im Beginn der Dämmerung. In der Ferne sah er links das Empire State, rechts das Chrysler, es überraschte ihn noch immer, dass es diese Gebäude tatsächlich gab.
    Sie wollen dich nur, weil sie dein Geld wollen. Er hörte die Stimme seiner Mutter: Nur dein Geld. Nur dein Geld. Nur dein Geld. Aber wer konnte sich schon aussuchen, wofür er geliebt wurde? Der eine wurde wegen seines Aussehens geliebt, das er selbst nicht leiden konnte, der andere wegen seines Wissens, das er nur vorgab, der dritte wegen seiner Freundlichkeit, die gelogen war. Da war es doch besser, wegen seines Geldes geliebt zu werden, dachte Kurt, das besaß er tatsächlich, darüber herrschte Einvernehmen.
    Sie wartete vor seinem Hotel, gegen die Mauer gelehnt, einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand. Kurt sah sie schon von weitem.
    Ihre Tasche, begann sie.
    In seinem Zimmer, unterbrach er sie.
    Ihre Zerstreutheit, entschuldigte sie sich.
    Nein, nein, seine Zerstreutheit.
    Kurz lachten sie auf. Sie seien wohl beide ein wenig durch den Wind gewesen. Ob sie nicht einen Augenblick Zeit habe. Mit hereinkommen wolle. Ob er ihr etwas zu trinken anbieten könne.
    Diesmal schlug sie die Einladung nicht aus.
     
    Es war halb zehn abends, draußen sog der Verkehr, das weiße Rauschen der Stadt. Unter sich fühlte Kurt das billige Lederimitat der Couch, sie aßen gebratene Nudeln von einem Lieferservice, dazu tranken sie eine Flasche zu süßen, angeblich französischen Chablis, das Kopfweh hatte

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