Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
wiegte sie leicht, Luise, Luise, seine Stimme dunkel und weich, mach dir keine Gedanken, Kleine, du zitterst ja. Sie roch sein Haar, seinen Hals, die Firma rückte in ihren Gedanken ab, wurde kleiner und kleiner, gleich würde sie verschwunden sein. Luise, Luise, flüsterte Krays, das kann dir doch alles nichts anhaben, nicht hier. Er wiegte sie, sie spürte die Feuchtigkeit unter seinem Hemd, so nah an seinem Hals bekam sie kaum Luft, sie drückte ihn von sich, ach Krays, was redest du, natürlich kann es das, wer bist du denn, dass du was dagegen ausrichten könntest?
Krays lehnte sich nach vorn, seine Besprechungspose, so hatte er es im Managementseminar gelernt. Er hörte ihr zu, während sie von den Zeitungsberichten erzählte, die über Kurt hereinbrachen, der Firma einen Bestechungsskandal anhängten. Krays zog sie wieder an sich heran, mit der Hand fuhr sie sein Bein entlang, und sie musste dabei an ihre Eltern denken, die Besseres für sie wollten als Krays, sie wollten so viel Gutes für Luise, dass sie seit jeher nicht zum richtigen Leben gekommen war. In diesem einen Punkt, was die Wahl ihres Freundes, möglicherweise zukünftigen Ehemannes, anbelangte, stimmte ihr Vater, wenn auch aus anderen Gründen, mit ihrer Mutter überein. Das Wort Freund war so harmlos, dass es nie in ihre Familie hineingepasst hatte. In der Familie Tietjen hatte man Partner. In der Familie Tietjen ging man Verbindungen ein. Allenfalls eine Affäre mit einem Politiker (CDU) oder Manager (Daimler, Airbus) würde vorübergehend akzeptiert, wenn sie denn der Firma dienlich wäre, unter keinen Umständen aber eine Liaison mit jemandem, der zwar nichts war, aber sehr wohl etwas sein wollte. Und vielleicht hatten ihre Eltern sogar recht. Diese leere Figur neben ihr nickte und tat nichts weiter, als mit den Lippen über ihre Wange zu fahren, als könne er damit etwas ändern.
Was bitte schön bedeutet denn Bestechung?, fragte Luise. Welches Unternehmen hilft denn nicht nach, um einen Auftrag zu bekommen?
Es werde alles gut, prophezeite Krays, der an diesem Abend keine Ahnung von der Welt außerhalb seiner Reichweite hatte oder aber die Welt von Luise fernhalten wollte.
Bis vor ein paar Jahren konnte man solche Gelder noch von der Steuer absetzen, sagte Luise trotzig. Man muss sich den Gegebenheiten anpassen, oder nicht?
Krays strich ihr über die Schulter, streifte die Träger ihres Kleides herunter. Er legte seine Stirn an ihren Hals, sein Mund berührte ihre Schulter, mit der Hand drückte er ihre Hüfte an sich.
Im Übrigen, sagte er, glaube ich nicht, dass es diese Geschichte ist, die deinen Vater umtreibt. In zwei Wochen redet niemand mehr davon. Kein normaler Mensch interessiert sich dafür, was am anderen Ende der Welt mit ein paar Handtüchern passiert.
Sein Optimismus erschöpfte sie. Er zog sie auf seinen Schoß, ihr Kleid hatte er bis zum Bauch hinaufgestreift, seine Zunge tastete über ihr Schlüsselbein. Erschöpft war sie von seiner Zuversicht, aber noch erschöpfter war sie von den Jungen, mit denen sie aufgewachsen war, die, seit sie klein waren, alles besaßen und gelernt hatten, dass das, was sie zerstörten, neuer und schöner ersetzt wurde: Sie zertrümmerten ihre Autorennbahn, sie fuhren ihr Mountainbike am Hügel zu Schrott, sie rissen die Kabel aus dem Fernseher, sie zertraten den Display ihres PCs, und mit ihren Kindermädchen und Nachhilfelehrern und Freundinnen sprangen sie ebenso um. Krays drückte Luise auf das Sofa, schob sich auf sie, und was sie an ihm mochte, der, wie ihre Mutter sagte, nur auf seinen Vorteil bedacht war, was sie trotz allem an ihm schätzte, war, dass er noch erschrak, wenn etwas zu Bruch ging, dass er ehrlich und über Sekunden betroffen blieb.
Sie fühlte seine Finger auf ihren Brüsten, an ihrer Hüfte, er küsste ihre Schulter, ihren Hals, ihr Gesicht. Seine Lippen nah an ihren, er atmete schwer. Luise schob ihn ein Stück von sich weg, blickte ihn an.
Was willst du mir eigentlich sagen, Krays?
Er schüttelte den Kopf, irritiert, aber er lächelte dabei.
Dein Vater will alles besser machen, und er merkt nicht, dass dadurch alles schlimmer wird. Ich glaube, sagte Krays, dass er vor seinen eigenen Gespenstern wegläuft. Oder hinter ihnen her.
Das, was Luise über jenen Krays wusste, den es außerhalb der Firma gab, hatte er ihr bei ihren nächtlichen Treffen erzählt. Sie hatte Rotwein dabei getrunken, er Wasser, und irgendwann brach seine Erzählung ab, weil Luise seine
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