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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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nicht fit bin, du kennst doch deinen Onkel. Werner würde Krays nicht gefährlich werden, im Gegenteil, er hielt schützend seine Hand über ihn. Luises Eltern waren es, die Krays nicht ausstehen konnten. Sie erwarteten mehr von ihrer Tochter als diesen höfisch aufwartenden Angestellten. Dabei hatten sie selbst vor einigen Monaten Luise und Krays miteinander bekannt gemacht, da sie die beiden bei einem Abendessen nebeneinander plaziert hatten, ein Fehler, den ihre Eltern seither nicht müde wurden zu bereuen. Er sei glatt bis zum Verschwinden, hatte ihr Vater über ihn gesagt, und ihre Mutter fand, er verdiene zu wenig.
    Vor Krays war Luise mit einem Mann zusammen gewesen, der beinahe so alt wie ihr Vater war. Georg, ein in Scheidung lebender Anwalt, wohnte vorwiegend in seiner Kanzlei, um seiner Familie aus dem Weg zu gehen. Als er eines Sonntags kurz in sein Haus in Bredeney zurückkehrte, erfuhr er, dass seine Tochter erkrankt war. Alles nur deine Schuld, sagte seine Frau, und wenig später sagte es auch seine Tochter zu ihm. Luise und er trafen sich zwei Tage darauf in einem Büro der Firma Tietjen, weil Georg fürchtete, seine Frau würde die Kanzlei beschatten lassen. Er bot Luise an, das Sexuelle, wie er sich ausdrückte, weiterlaufen zu lassen, nur eben unter anderen Rahmenbedingungen, als Affäre, das hätte doch auch seinen Reiz. Luise lachte ihn aus. Er nestelte an seiner Krawatte. Sie lachte weiter, es war unangenehm, und Luise wollte, dass auch er merkte, wie unangenehm es war. Sie sah ihn nicht wieder, sie dachte nicht mehr an ihn, mit Gefühlen war Luise stets klargekommen, in ihrer Familie machte man keinen Aufstand darum.
    Danach beschloss Luise, sich auf die Anhäufung von Wissen zu beschränken, also saß sie mittwochs in der Vorlesung von Professor Breitenschneider, der über Lohndruckinflation sprach und über das Ende von Bretton Woods, womit doch schon alles gesagt sei über Amerika und den Dollar, damals, 1973, meine Damen und Herren, Sie waren noch gar nicht auf der Welt, da haben die Amerikaner schon geprasst und ihre Wirtschaft gehetzt, dass ein ganzes Währungssystem unterging. Professor Breitenschneider bevorzugte sparsame Volkswirtschaften, Kanada zum Beispiel gefiel ihm, er hätte allerdings nie dort Urlaub gemacht, weil er selbst nicht nur sparsam, sondern penibel geizig war. Er nahm in der Mensa stets das billigste Gericht, ganz gleich, ob es ihm schmeckte, und die Filzschreiber, mit denen er an die Metalltafel schrieb, benutzte er so lange, bis seine Schrift durchsichtig war. Professor Breitenschneider lud Luise in seine Sprechstunde ein, weil sie ein hervorragendes Referat gehalten hatte, er bestellte sie erneut zu sich, weil sie eine scharfsinnige Analyse in der Vorlesung gegeben hatte, sie ging alle zwei Wochen in seine Sprechstunde, und dann kam das Abendessen im Haus ihrer Eltern, sie saß neben Krays, der ihr mehr Komplimente machte, als es Professor Breitenschneider in seiner Knauserigkeit je möglich war, und sie tauschte die Sprechstundenbesuche gegen nächtliche Treffen mit Krays aus.
    Luise klingelte, nichts regte sich, nur das Taxi hörte sie davonfahren, ansonsten blieb alles still. Sie klingelte ein zweites und ein drittes Mal, endlich öffnete Krays ihr verschlafen die Tür.
    Ob sie nicht bei ihrem Vater habe bleiben wollen?, fragte er.
    Er ist nicht auszuhalten, sagte Luise und drängte sich an Krays vorbei in seine Wohnung. Er hält sich im Moment nicht mal selbst aus.
    Sie ging durch den Flur, betrat das Wohnzimmer. Der ihr bekannte Geruch, die ihr bekannten Möbel, ein Glastisch, eine schwarze Ledercouch. Ein Kunstdruck von Jackson Pollock hing an der Wand. Krays’ Wohnung war ihr mittlerweile vertrauter als ihre eigene, vermutlich, weil sie nicht für ihn eingerichtet war, sondern von ihm, nicht bloß mit Dekor, sondern mit den Gegenständen gefüllt, die er benutzte, wenn er nicht in der Firma war. Ein paar Hanteln, eine verchromte Espressomaschine, ein Fernseher, auf dem er, wenn überhaupt, Nachrichten sah, Bücher: Hayek, Schumpeter, Dworkin, o ja, belesen war er auch, ihr Krays, Abschluss mit Auszeichnung, Wirtschaftswissenschaften, im Nebenfach Philosophie. Luise ließ sich aufs Sofa sinken und schloss die Augen.
    Das ist nicht mein Vater, der heute zurückgekommen ist, sagte sie. Mein Vater läuft wahrscheinlich noch immer durch Schanghai.
    Krays fasste ihren Arm, beruhig dich, Luise, du bist ganz durch den Wind, zog sie an sich, strich ihr übers Haar,

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