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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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gestreift war, allein, grundlos und ohne Ziel. Er kauerte sich neben ihr zusammen.
    Hätte er jemals gelernt, wie das ging, weinen, hätte er jetzt geweint, aber er konnte sich nicht erinnern, es jemals versucht zu haben. Als Säugling, vielleicht, aber vermutlich nicht einmal das. Weinten Säuglinge, oder schrien sie bloß? Er wusste es nicht, er spürte Fannys mageren Schoß, das knochige Becken, ein Kissen aus Stein, eine versteinerte Geliebte, das also war seine neu gewonnene Freiheit.
    Die Dinge wiederholen sich nicht, hatte der Senior damals auf dem Flug nach New York zu ihm gesagt. Sie bleiben einfach gleich. Du verhältst dich wie ich. Und ich verhalte mich wie Justus.
    Das ist nicht wahr, hatte Kurt widersprochen.
    Ach, was ist schon wahr, hatte der Senior gemurmelt.
    Fanny fuhr ihm mit der Hand durchs Haar, kämmte einzelne Strähnen auseinander, ein sanfter Druck auf seinem Kopf.
    Er könne nicht mehr, sagte er.
    Obwohl Fanny nicht wissen konnte, wie sein Leben früher ausgesehen hatte, schien sie zu merken, dass etwas aus dem Lot geraten war. Dass er sich nicht zurechtfand. Sie strich Kurt durchs Haar, hielt ihm die Hand wie einem kranken Kind, und was war er anderes?
    Dass er nicht begreife, weshalb er aus alldem nicht herauskomme. Und warum eigentlich manche Leute frei seien und andere ewig an ihre Familie gebunden.
    Was willst du?, fragte Fanny. Allein sein? Für niemanden da sein?
    Vielleicht, sagte Kurt.
    Du hast dich nie für andere interessieren müssen. Du konntest dir immer leisten, alle zu ignorieren.
    Was glaubst du denn, wie mein Leben ausgesehen hat?
    Du bist privilegiert, hast du das vergessen? Hast du vergessen, wie privilegiert du bist?
    Und daraus willst du mir einen Vorwurf machen?, fragte er.
    Nein, aber denk bitte nur einmal darüber nach, dass die Leute um dich herum nicht die Privilegien haben, die du hast. Ich werfe sie dir nicht vor, aber nutz sie wenigstens.
    Was willst du mir schon vorschreiben. Was bildest du dir ein, wer du bist.
    Und was bilde er sich ein? Denke er etwa, sie sei immer nur Kellnerin gewesen? Im Gegenteil, sie kenne sich aus. Sie habe schließlich für ein Unternehmen gearbeitet, das die Kreditwürdigkeit von Firmen beobachtet habe. Mit einer Mail habe ihr Vorgesetzter manchmal ein ganzes Unternehmen zusammenbrechen lassen. Wir haben über riesige Konzerne beraten, sagte Fanny. Eine Firma wie deine, das waren für uns die fünf Minuten vor der Mittagspause.
    Woher sie überhaupt von der Firma wisse?
    Für wie naiv hältst du mich?, fragte Fanny. Natürlich weiß ich, wer du bist. Ich habe deinen Namen auf dem Brief gelesen, Apartment 12, der Brief deines Anwalts, den ich dir einmal gebracht habe, erinnerst du dich? Ich habe mich informiert. Natürlich weiß ich, wer du bist, Kurt.
    Du weißt überhaupt nichts, fuhr Kurt sie an. Aber es war nutzlos. Er fühlte sich nackt vor ihr, seiner Tarnung entledigt, möglicherweise hatte er nie eine gehabt, war als Kaiser in neuen Kleidern durch das Viertel spaziert, und jeder – jeder! – hatte gesehen, wer er war, Kurt Tietjen. Nichts weißt du, wiederholte er, als könne er die Tatsachen verschwinden lassen, wenn er sie nur lange genug abstritt.
    Und wie fühlt es sich an, vermögend zu sein?, fragte sie.
    Er konnte nicht sagen, ob sie es spöttisch meinte, er konnte in diesem Moment überhaupt nichts mehr über sie sagen.
    Reich sein ist nichts, antwortete er, nur ein Zustand.
    Warum versteckst du dich dann davor?, fragte Fanny.
    Und du, was willst du eigentlich von mir? Wenn du es die ganze Zeit gewusst hast, warum hast du mitgespielt?
    Vielleicht bin ich wie der talentierte Mr. Ripley, sagte Fanny, nur ohne Talent. Vielleicht will ich einfach was Besseres sein.
    Ich bin auch nichts Besseres, entgegnete Kurt. Ein Vermögen macht dich nicht dazu. Im Gegenteil.
    Sie sah ihn einen Moment fassungslos an, dann schüttelte sie den Kopf. Du begreifst es nicht, erklärte sie und zog ihre knochigen Schultern hoch. Fanny saß starr vor ihm, sie erinnerte ihn plötzlich an seine Tochter, wenn er auch nicht hätte sagen können, was genau es war. Versuchte er ein Bild von Luise heraufzubeschwören, kamen ihm nur die Nadelstreifen in den Sinn, maßgeschneidert und dennoch so verwechselbar. Fanny war, wie seine Tochter hätte sein können, wenn sie nicht diese Anzüge trüge, wenn ihre Gesichtszüge nicht so hart wären, wenn sie nicht seine Tochter wäre.
    Was für ein Unsinn, dachte er. Er dachte doch nicht wirklich an seine

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