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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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mehr Lohn bekommen, und sie hockten bald wieder an ihren Arbeitsplätzen, damit ihnen kein Euro verlorenging. Es gab eine durchfinanzierte Masse auf der einen Seite, in der jeder für sich die Hand aufhielt, und die Gewerkschaftsführer auf der anderen Seite, mit denen Werner und Luise telefonierten. Das war alles, was es vom Arbeitskampf noch gab.
    In einem Sushilokal in der Lower East Side setzte Kurt sich an den Tresen, währen Luise neben der Tür stehen geblieben war, um einen Anruf entgegenzunehmen. Krays berichtete, ein Mitarbeiter, der kürzlich seine Kündigung erhalten hatte, habe mit einem Anwalt gedroht. Mach dir keine Gedanken, Luise, der versteht von seinen Rechten nicht viel und von guten Anwälten ebenso wenig.
    Als sie aufgelegt hatte, beeilte sie sich, durch den dicht besetzten Raum zu Kurt zu kommen, der sie die ganze Zeit über betrachtet hatte. Am Nebentisch strickte eine junge Frau einen Schal, ein Mann sprach mit sich selbst. Alles war in eine appetitliche Kulisse aus Fernost gefügt, klare Linien, ein wenig Palmgrün in Vasen, auf einem Fließband zogen Sushischalen vorüber. Luise griff eine Schale für sechs Dollar heraus und reichte sie dem Sushimeister. Kurt trank, die Ellbogen auf den Tresen gestützt, heißen Sake.
    Eine Stunde bei der Einreise heute, sagte sie und griff einen weiteren Teller vom Band. Es dauert jedes Mal länger. Sie behandeln mich, als hätte ich ein Verbrechen begangen, dabei will ich nur einreisen.
    Und warum glaubst du, was Besseres verdient zu haben? Wer gibt dir das Recht? Wer gibt dir das verdammte Recht einzureisen?
    Luise schrak vor der Heftigkeit zurück, mit der ihr Vater sie angriff.
    Du beanspruchst New York für dich, wir alle, und weshalb?, fragte er und nippte an seinem Sake.
    Es ist doch –, versuchte Luise einzulenken, doch Kurt ließ sie nicht zu Wort kommen.
    Was glaubst du, wie lange die Kontrolle gedauert hat, als mein Vater hier einreisen wollte? Über Stunden haben sie ihn ausgefragt, ich hatte schon geglaubt, sie würden ihn wieder zurückschicken, in die nächste Maschine setzen und ab nach Deutschland, den alten Nazi. Einen kurzen Moment hat mich dieser Gedanke erleichtert. Wie ich mich dafür geschämt habe, als er dann endlich vor mir aufgetaucht ist.
    Durch die Fenster des Lokals sah Luise auf die Schneeberge, die am Rand des Bürgersteigs von den Anwohnern aufgehäuft worden waren, ein prähistorischer Anblick, und sie fragte sich, ob die Beringstraße in diesem Winter wieder zufrieren und wenn ja, ob die Homeland Security fünfzehntausend Beamte in Reserve haben würde, um dieser neu geschaffenen Einreiseschneise zu begegnen. In der Spiegelung der Scheibe sah sie, dass Kurt sie betrachtete.
    Ein Investor aus New York interessiert sich für die Firma, sagte sie, um seinen Blick nicht länger stumm ertragen zu müssen.
    Du meinst, fragte Kurt spöttisch, die Firma sei gut genug dafür?
    Sie wird bald gut genug dafür sein, erwiderte Luise.
    Kurt lachte auf. Luise war sich nicht sicher, was er über die Lage der Firma wusste. Sie hatte angenommen, dass er die Zahlen nicht mehr klar sah, wie ein Weitsichtiger, der alles, was zu dicht vor seinen Augen lag, nur verschwommen wahrnahm, zumindest hatte er so gehandelt, vielleicht war es auch Leichtsinn gewesen, was wusste denn sie.
    Die Firma wird nicht mehr gut genug sein, sagte er.
    Die Sushiteller fuhren im Kreis, vor dem Fenster hob das Laternenlicht die hohen Schneeflächen kantig hervor, während alles andere dahinter irreal wirkte, die glatten Fassaden der Häuser, die Pfosten und Straßenschilder, die in ihren Schritten verunsicherten Menschen. Der Schnee dominierte das Bild, alles andere musste sich unterordnen.
     
    Am Ende hatte er sie doch überrascht, ihr Vater, ein letzter Vorwurf, der zugleich ein Zugeständnis war, mehr, als Luise ihm zugetraut hatte. Schon auf der Höhe der Christopher Street hatte sie aufgehört, seinen Tiraden zu folgen, die immer wirrer geworden waren. Mit der rechten Hand hatte sie E-Mails über das Display ihres Telefons laufen lassen, zwei Nachrichten von Krays, eine von Werner, ein Terminvorschlag eines New Yorker Geschäftspartners. Menschen joggten an ihnen vorbei, flüchtig warf sie einen Blick in eine Kneipe, die voller Studenten war. Luise hatte nicht mehr darauf geachtet, ob Kurt noch neben ihr ging, gerne hätte sie die Stadt für sich allein gehabt, wäre darin verlorengegangen, ein Zustand, zu dem Luise in Wirklichkeit nicht in der Lage war, so

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