Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
ortsüblichen Höflichkeiten ab. Großes Bedauern auf seiner Seite, aber nein, aber sie sollten, aber wie schade, ihr war es gleich, ob er ihre Ausreden durchschaute oder nicht, sie würde hier bald fort sein.
Danach telefonierte sie mit Krays, der in Essen alles am Laufen hielt. Er nahm in letzter Zeit noch mehr Arbeit auf sich, als sie ihm zugetraut hätte, dabei hatte sie ihm immer viel zugetraut, und nur, weil er gezögert hatte, Lotte Bender die Kündigung mitzuteilen, konnte sie ihm nicht ihr Vertrauen entziehen. Das wäre unprofessionell, und Luise Tietjen wollte über den Dingen stehen. Krays traf Entscheidungen, die sich bewährten, und Luise hielt an ihm fest, weil sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte. Vielleicht würde sie ihm eines Tages einen Antrag machen. Es war ja nicht undenkbar, jemanden zu heiraten, den man nicht liebte, von dem man zumindest nicht sagen würde, dass man ihn liebt. Viel fataler war es, jemanden zu heiraten, für den man Leidenschaft empfand, denn solche Menschen lösten sich auf, kaum war der Ehevertrag unterzeichnet. Da war Krays die bessere Wahl. Krays war das Beste, was ihr bislang passiert war, und weil sie sich Träumereien verbat, ging sie davon aus, dass sie nicht mehr zu erwarten hatte.
Luise wohnte im Jinling, dem besten Hotel der Stadt. Unter ihr eine breite Straße. Weiter südlich das Geschäftsviertel, Shoppingmalls, Luxuskaufhäuser. Gucci, Chanel und Prada sahen an chinesischen Modellen noch besser aus. Am Abend traf sie sich mit Kollegen aus Deutschland, Belgien und Frankreich beim Stammtisch in einer der unzähligen Seitenstraßen hinter der Universität. Es wurde Braten und Sauerkraut gereicht. Das Restaurant hatten zwei Niederländer eröffnet, die verstanden, dass sich das deutsche Essen besser verkaufen würde als das ihrer Heimat, wer wusste hier schon, was die Niederlande waren.
Die anwesenden Deutschen, ein junges Paar und zwei Männer mittleren Alters, pendelten seit Jahren zwischen China und Europa, blieben ein paar Monate hier, ein paar Monate dort, sie arbeiteten für ein großes Unternehmen, das deutsche Haushaltsgeräte für den chinesischen Markt produzierte.
In China sei man ganz verrückt nach deutschen Haushaltsgeräten, da sie langlebiger und nicht so störungsanfällig waren wie die chinesischen, erklärte Keuner, einer der Deutschen, der hier seit drei Jahren festsaß.
Dass Keuner nie wieder nach Deutschland zurückkehren konnte, erzählte sein Kollege ihr hinter vorgehaltener Hand. Sie haben ihn bei uns längst abgeschrieben, flüsterte er Luise zu. Vermutlich weiß auch Keuner selbst, dass er nicht mehr zurückkann, wenn er es auch überspielt. Er hasst China, aber in Deutschland würde er sich nicht mehr zurechtfinden, er würde nicht mehr wissen, wohin mit sich. Hier ist er doch gut aufgehoben, er hat sich eingerichtet mit seinen Hasstiraden und seinen Überlegenheitsgefühlen.
Neben Luise saß Mademoiselle Poinette, eine pedantisch aussehende junge Frau. Sie versuchte Luise für eine Kooperation in Shengzuo zu begeistern. Luise stimmte ihren Vorschlägen unverbindlich zu und wusste, dass Mademoiselle bald wieder von der Bildfläche verschwunden sein würde. Zu sagen hatte sie in ihrem Konzern sicher nichts, dafür redete sie zu viel.
Später stieß W.W. zu ihnen. Luise kannte ihn von früher. Als sie klein gewesen war, hatte er neben ihrem Vater in der Geschäftsführung der Firma Tietjen gesessen. Für sie hatte er damals nur aus buschigen Augenbrauen bestanden, und jetzt tauchte er plötzlich wieder auf, ein Gespenst aus einer untergegangenen Zeit. Seine Augenbrauen wucherten immer noch üppig, doch sein restliches Gesicht wirkte gelassen, beinah erhaben, ein Mensch, der wusste, dass er die Aufmerksamkeit auf sich zog. Er versuchte mit ihr zu flirten, was ein wenig albern war, und er unterließ es, als er begriff, wer sie war.
Luise, Sie machen das ja ganz ausgezeichnet, ich höre nur Gutes über die Firma und Sie.
Einen Moment lang fühlte sie sich erhitzt, sie spürte Stolz in sich aufkommen, doch sie bekam sich schnell wieder in den Griff. W.W. wusste, was er tat, Lob machte bestechlich, und wer bestechlich war, wurde angreifbar.
Nun sagen Sie, Ihr Vater ist noch immer in den Staaten? Tatsächlich? Sehen Sie, das gehört sich nicht für einen Mann in seiner Position. Aber es ist, wenn ich so offen sein darf, vermutlich das Beste für die Firma. Jedenfalls sehe ich, dass Sie uns wieder Konkurrenz machen. Das hat
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