Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
die Firma unter Ihrem Vater jahrelang nicht geschafft.
Luise lächelte höflich. W.W. war stärker als sie, stärker als Krays, stärker als sie alle zusammen. Sie konnte nur gewinnen, wenn sie unterhalb seiner Augenhöhe blieb. Wenn er sie unterschätzte, hatte sie möglicherweise eine Chance.
Sehen Sie – er wies mit der Stirn auf die Umsitzenden und senkte seine Stimme –, manche glauben ja nach wie vor, dass hier noch was zu holen ist. Das mag im Prinzip sogar stimmen, nur muss man dafür mehr Geschick mitbringen, als diese Leute hier besitzen. In China grast man nicht mehr so einfach die Rendite ab wie noch vor ein paar Jahren. Aber Sie, Sie sind sicher nur wegen der letzten Abwicklungen hier, so ist es richtig. Na ja, W.W. lachte, Sie hatten auch keine andere Wahl, was? Die Region hier ist für Tietjen und Söhne verbrannte Erde. Genau genommen ist ganz China verbrannte Erde, der Kunde in Deutschland kann doch keine Provinz von der anderen unterscheiden. Sie sollten sich die Sehenswürdigkeiten ansehen, dann bekommen Sie vielleicht einen Überblick. Sie sind ja noch jung.
Er tätschelte ihre Hand, gutmütig beinah und dennoch herablassend.
Sie werden das schon hinbekommen. Werner haben Sie offenbar im Griff. Und die Geschäfte auch. Ihr Vater hat sich hier einen ganz hübschen Skandal geleistet. Ich war erstaunt, wie gut er aus der Sache wieder herausgekommen ist. W.W.s Brauen senkten sich, als wollten sie seine Augen verschlucken und Luise wünschte sich, es möge tatsächlich geschehen und seine ganze gespenstische Präsenz verschwände von diesem Ort.
Das macht man nicht, erklärte er, Schmiergelder sind immer eine hässliche Sache, und bei hässlichen Sachen lässt man sich nicht erwischen. Er hat uns ein Geschäft weggeschnappt, aber im Endeffekt haben wir profitiert, so sind wir früher nach Bangladesch gekommen. Sie wissen sicherlich, wie es in der Fabrik zuging, in der er produzieren ließ. Da hätte nur mal ein Journalist genauer hinschauen müssen. Wenn ich mich recht erinnere, hat sich dort einer der Arbeiter sogar in den Tod gestürzt. Kommt vor, natürlich. Ihr Vater will von alldem nichts gewusst haben. Und wissen Sie was, ich nehme es ihm mittlerweile sogar ab, er war doch arg mitgenommen am Ende.
W.W. griff nach Luises Glas und trank die letzten Schlucke daraus.
Wissen Sie, dass es Ihre Firma eigentlich gar nicht mehr geben sollte? Es war alles vorbereitet für die Übernahme durch Schermerhorn, und dann ist Kurt nach Amerika, und wir haben ihn nicht mehr zu fassen gekriegt. Er konnte den Gedanken wohl nicht ertragen, sich von Schermerhorn schlucken zu lassen. Und wissen Sie was? Ich verstehe ihn. Ich würde Ihren Vater im Zweifelsfall sogar schützen. Alte Bekannte lässt man nicht vor die Hunde gehen. Ich habe meine Prinzipien. Und Ihr Vater hatte sie auch. Er hat nur den Überblick verloren. So was passiert. So was kann gefährlich werden, aber es passiert. Und was ist mit diesem Herrn Krays?
Krays?, wiederholte Luise mechanisch, das Gespräch war von ihr weggerückt. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass die Firma von Schermerhorn geschluckt werden sollte. Sie dachte an Werner und daran, dass es ihm gelungen war, ihr das zu verheimlichen, und sie fragte sich, ob sie ihren Onkel unterschätzte.
Verständiger Mensch, Ihr Herr Krays, sagte W.W. Ich habe einige Male mit ihm gesprochen. Ich glaube, Sie können zusammen wirklich etwas auf die Beine stellen. Sie machen gute Arbeit, Luise. Ich würde gerne sagen, dass Ihr Vater stolz auf Sie wäre, aber das bezweifle ich leider. Sie sind viel zu gut für ihn.
W.W. verabschiedete sich früher als der Rest der Gruppe, auch Luise wäre gern schon gegangen, wollte aber als Jüngste in der Runde kein Aufsehen erregen. So saß sie noch fast zwei Stunden still zwischen ihren Kollegen und beantwortete unauffällig die Nachrichten auf ihrem Mobiltelefon.
Hinter unserem Rücken lachen sie uns aus, erklärte Luises Nachbar, der nach W.W.s Abschied zu ihr aufgerückt war. Er stieß sein Knie wie zufällig gegen ihres, sie war zu müde, um ihn zurechtzuweisen.
Was China stark macht, erklärte einer, das sind die Menschen, die treten als Masse auf. Nicht so wie bei uns. In Europa will jeder sein eigenes Leben erfinden.
Lass die Chinesen erst mal den Individualismus entdecken. Dann läuft hier alles aus dem Ruder.
Das wird nicht geschehen, wegen Konfuzius, behauptete ein Deutscher.
Sie werden uns überholen, ganz gewiss, sagte ein
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