Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
ihren Namen auf die Liste gesetzt, ohne Krays in die Entscheidung einzubeziehen. Luise konnte nicht sagen, dass sie sich Lotte Bender ausgeguckt hätte, nein, das nicht, sie mussten entlassen, und Krays’ Liste war nicht überzeugender als ihre, also legte sie einige von seinen und einige von ihren Namen zusammen, darunter auch Bender. Luise hatte Krays gebeten, es Lotte Bender auszurichten, er hatte sich geweigert. Luise hatte es ihm befohlen, aber er hatte sich weiterhin geweigert, und so hatte sie ihm den Brief mit den Worten in die Hand gedrückt, wenn er ihn ihr nicht gebe, würde sie es tun, und ob er das wolle, ob er so hartherzig sei.
China war heiß und grün, die Bäume an der Straße geschmückt mit goldenen und roten Bändern, die ganze Stadt im Taumel, nur an ihren Rändern, auf der anderen Seite des Flusses, torkelten magere Hühner über Lehmstraßen. Ein Telefon stand verlassen auf einem Sims, ein roter Siemensapparat mit Wählscheibe. Auf einem Laster schlief in der Mittagsglut ein Mann zwischen Zuckerrohr und Bananen, es schien, als habe er alle Zeit der Welt. Vermutlich bekam er in der Nacht kein Auge zu, weil die Hütte nicht genügend Platz bot für die ganze Familie, dachte Luise und wandte den Blick ab, was wusste sie schon. Sie hatte nie den Anspruch besessen, die Welt zu verstehen, sie wollte nur nicht in ihr untergehen. Sie würde Geschäfte machen, sie würde investieren und wieder investieren, das war das sicherste Mittel, um lebendig zu bleiben. Wer investierte, war nicht tot.
Hier könnte ein Fabrikgelände entstehen, billiges Land, aber nicht billig genug, zudem mit einer Infrastruktur aus dem vorletzten Jahrhundert. Nein, es hatte keinen Sinn, die letzten billigen Flecken hier waren nicht ohne Grund billig, man hatte ihr das vorab gesagt, nun hatte sie sich ein eigenes Bild gemacht, es war gut, die Tatsachen zu kennen, das verschaffte ihr Respekt. Immerhin war sie beweglich genug, in die entlegenen Ecken der Welt zu reisen, während die Vorstandsmitglieder bei Schermerhorn vom jahrzehntelangen Warten auf die Quartalszahlen dick und aufgedunsen in ihren Ledersesseln saßen und schon beim Öffnen des E-Mail-Programms ins Schnaufen gerieten.
China, natürlich, war vorbei, die Arbeitskräfte kosteten zu viel und das Land nahm sich selbst zu wichtig, eine untragbare Kombination. In der heruntergekommenen Fahrraddroschke ließ Luise sich zum Fähranleger zurückbringen. Auf der anderen Seite sah sie die Türme der Metropole, hier war Provinz, hier waren die sechziger Jahre, und vermutlich kam auch Mao noch ab und an auf eine Zigarette vorbei.
In fünf Jahren oder schon in fünf Monaten würde all das hier unter einer dicken Schicht aus Bürohäusern, Universitätskomplexen und Fabriken verborgen sein. In Zentralchina stellte man Millionenstädte ins Nichts und wartete darauf, dass die Menschen kamen. Natürlich musste man vorsichtig sein, ein florierendes Land verschlang fremdes Kapital. Schermerhorn hatte sich nach Bangladesch verlagert, auch die Tietjens würden nach Bangladesch gehen, was sollten sie noch in China? Luise würde Schermerhorn nicht das Feld überlassen.
Die Fähre legte an, über den wackeligen Steg balancierte Luise zurück an Land. Sie war erleichtert, wieder im westlichen China zu sein, Nachrichten trafen auf ihrem Telefon ein, drüben, auf der anderen Seite des Flusses, hatte sie keinen Empfang gehabt. Sie ging die Nachrichtenliste durch, Krays, Werner, eine Kollegin aus Frankreich, mit der sie zum Abendessen verabredet war, zwei Geschäftspartner aus Bangladesch, die sie treffen würde, wenn sie aus China endlich fortkam. Ihre Sekretärin schickte einen Zeitplan für die nächste Woche, das Interview mit der Zeitung würde endlich stattfinden, Luise war zufrieden. Von ihrem Taxi aus sah sie auf die Werbefilme, die an den großen Kreuzungen gezeigt wurden. Chinesinnen hielten Maggi-Suppen in die Kamera, ein Paar fuhr in einem Kabriolett, ein Glatzkopf verlas Nachrichten. Neben den Bildern liefen Schriftzeichen über den Bildschirm, Luise genoss es, sie nicht zu verstehen, es nahm ihr die Sorge, sich auch um das kümmern zu müssen, was außerhalb ihrer Arbeit geschah.
Im Hotel richtete man ihr an der Rezeption aus, Herr Dao habe sie sprechen wollen. Sie rief ihn zurück, es war, wie sich herausstellte, nichts Dringendes, nur eine Geste der Gastfreundschaft. Er lud sie zu einer Besichtigung der Textilfabrik bei Nanjing ein, sie sagte unter Einhaltung aller
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