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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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werden dann alles dingfest machen, wenn du aus New York zurück bist. Zudem will ich, dass die Firma Tietjen endlich ganz aus China weggeht. Es ist notwendig. Man tut sich derzeit keinen Gefallen damit, dort zu produzieren.
    Und wie werden wir die Arbeitsbedingungen in Bangladesch rechtfertigen?, fragte Werner.
    Da stürzen sich die Leute nicht aus dem Fenster.
    Noch nicht.
    Weißt du, mir geht es nicht nur ums Image. Wir sind von China abhängig, wir alle, und dem muss man Grenzen setzen. Wer will schon ein Leibeigener sein, du etwa, Kurt? W.W. lachte blechern und hob sein Glas.
    Im Flur fiel eine Tür zu, Lennart Wenzel traf ein, Abgeordneter im Landtag. W.W. klopfte ihm auf die Schulter, Werner zwinkerte ihm zu, Wenzel saß im Finanzausschuss. Kurt dachte an seinen Flug nach New York in zwei Wochen, dachte, dass er sie dann für drei, vier Tage alle los sein würde.
    Natürlich, wenn das Wirtschaftswachstum zurückgeht, setzen wir unseren Wohlstand aufs Spiel, erklärte Lennart Wenzel mit lauter Stimme. Aber streuen Sie diese Meinung mal unter die Wähler. Wissen Sie, was ich letztens gehört habe? Dass uns eine Rezession guttun würde. Und in so einem Land soll man Politik machen.
    Ohne Wachstum sind wir geliefert, natürlich, das werden die Leute schon merken über kurz oder lang.
    Wenn es zu spät ist, warf Wenzel ein. Die Leute merken es immer erst, wenn es zu spät ist.
    Kurt saß den beiden gegenüber, beobachtete das Mädchen vom Catering, das unruhig mit seinen Ringen spielte, das Lächeln wich nicht aus seinem Gesicht.
    Aber sehen Sie, im Rheinland geht es mit dem Wachstum –
    Wachstum, was wollen Sie immer mit Ihrem Wachstum, unterbrach Kurt den jungen Abgeordneten. Kennen Sie Alice im Wunderland ? Da sehen Sie, was passiert, wenn man zu schnell wächst. Sie stoßen mit dem Kopf durchs Dach und stecken fest in Ihrem Gebäude.
    Einen Moment sahen die Anwesenden ihn pikiert an. Dann hatte Wenzel sich gefangen, überging den Zwischenfall, als wäre nichts geschehen.
    Jedenfalls, Werner, Sie müssen sich die Wachstumsprognosen im Rheinland anschauen, dann haben Sie ein völlig anderes Bild von der Sache.
    Kurt Tietjen schnitt sein Lamm.
    Gegen Ende des Abends war auch Krays erschienen, er hatte Kurt zugelächelt, ein junger Mann, der meinte, die Welt zu beherrschen. Vor der Haustür parkte Krays’ Porsche, der silberne Lack schimmerte in der kläglichen Nachtbeleuchtung. Dass sie alle auf die gleichen Anreize hereinfielen. Ein Porsche war auch nur ein Serienwagen.
    Kurt starrte auf die riesigen Augen des Wagens, dunkle Scheinwerfer. Von oben hörte er den Lärm der anderen, aufgeschreckt vom Alkohol. Kurt Tietjen wollte raus, aber man konnte ja nicht aus der Welt fallen, man hatte ja nur die eine, Alternativen waren nicht vorgesehen. Seine Familie stand immer über allem. Warum gelang ihm das nicht? Warum geriet alles zu dicht an ihn heran?
    Die Lichter der vorbeifahrenden Autos reflektierten in den Pfützen auf der Fahrbahn. Kurt schwankte leicht. Sie hatten Weißwein getrunken, drei, vier Flaschen, obwohl er Weißwein schlecht vertrug, weil er ihn stets erschöpft wach liegen und seine Gedanken verrücktspielen ließ. Er ging zu Fuß, um zur Ruhe zu kommen, dem Alkohol die aufputschende Wirkung zu nehmen, natürlich, es würde kaum helfen, ein wenig vielleicht.
    Er bog in die kleine Seitenstraße ein, in der einmal eine Freundin von ihm gewohnt hatte, vor langer Zeit, sie hatte ihm nichts bedeutet, aber es hatte sie gegeben, nun ja, es gab sie wohl immer noch, er blickte an den Häusern hinauf, die Fenster waren bereits dunkel. An der Ecke löschte auch das Restaurant seine Außenlichter, eine einzelne Lampe war im Innern eingeschaltet, unter der ein Kellner die Einnahmen zählte. W.W. hatte Kurt gedrängt, ein Taxi zu nehmen, und Krays hatte sogar angeboten, ihn zu fahren. Kurt hatte abgelehnt. Er brauchte den Weg, die paar Schritte bis zu seiner Villa hinauf, er brauchte Ruhe. Er kam an Bänken vorbei, auf denen tags die Alkoholiker saßen und sich das Leben vom Leib soffen. Er hörte das gleichmäßige Schnarchen, sah den Schemen, der dort lag, ein Berg aus altem Gewebe, fettgezecht, mit blitzblanken Venen, Rotwein spülte die Gefäße frei. Kurt ging ein wenig schneller, am Gebüsch vorbei, er hätte die Alfredstraße überqueren können, die zu dieser Uhrzeit kaum befahren war, lediglich einige Laster zogen vorbei, doch er bog ab und folgte dem Weg zur Unterführung.
    Das Licht wurde schal. Zu

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