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Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)

Titel: Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Bossong
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Abwechslung einmal etwas erlauben könne.
    Herr Tietjen, unter uns gesagt, solange Sie nicht tot sind, ist es für nichts zu spät. Das soll kein Rat sein. Ich stelle nur fest.
     
    Kurt erzählte niemandem davon, weil ihn niemand danach fragte. Seine Frau war beim Friseur gewesen, als er in Doktor Reuters Praxis gesessen hatte, bei der Fitnesstrainerin, als er ins Krankenhaus ging, und als sie ihn an einem der folgenden Abende mit bleicher, im Schein der Esszimmerlichter fast bläulichen Haut antraf, vereinbarte sie umgehend einen Termin mit ihrer Kosmetikerin. Es war eine hilflose Geste, eine egoistische, aber immerhin eine Geste. Seine Tochter reagierte überhaupt nicht. Sie nahm das Abendessen mit den Eltern ein, und dann fuhr sie wieder in ihr Apartment, ohne eine Veränderung an Kurt bemerkt zu haben.
    Dachte er an die Tage im Krankenhaus zurück, graute ihm davor, sein Leben noch einmal in die Hand eines Kardiologen zu legen, an Schläuche gesteckt zu werden, die kalt und fremd in seine Venen übergingen. Er wollte die Nervosität seiner Frau nicht mit ansehen und nicht die Gleichgültigkeit seiner Tochter. Er wollte weder das angespannte Warten der Konkurrenz erleben noch Werners Lauern. Er wollte nicht nach der Zukunft der Firma befragt werden, weder von seinem Notar noch vom Nachlassverwalter.
    Er wollte an einem Ort sein, wo sich niemand nach seiner Gesundheit erkundigen würde. Wo sich niemand um ihn sorgte, weil niemand auf die Idee kam, dass er überhaupt ein Testament besaß. Er war, wie ihm sein Vater gesagt hatte, für die Firma gezeugt worden, er hatte sein gesamtes Leben für die Firma gelebt. Er wollte nicht auch noch für die Firma sterben.
     
    Du weißt, dass wir uns so nicht rechnen. Also hör auf, mir diesen Unsinn einzureden.
    Werners schweres Gesicht senkte sich über einen Teller, auf dem klein geschnittene Rohkost drapiert war, der lächerliche Versuch einer Diät. Sie waren bei W.W. zum Abendessen geladen, zwei Wochen vor Kurts Flug nach New York, in W.W.s aseptisch heller Zweitwohnung nahe des Grugaparks. Kurz hatte W.W. sie allein gelassen, um in der Küche die Aushilfe zurechtzuweisen.
    Wenn du meinst, schlauer zu sein als wir alle, sagte Werner, dann schick mir morgen eine Kalkulation in mein Büro. Einstweilen bemühe ich mich um reelle Lösungen. Falls Schermerhorn die Firma Tietjen schluckt, ist das noch das Beste, was uns passieren kann. Die Bank sitzt uns im Nacken, sie sitzt uns seit Monaten im Nacken, und wenn wir nichts unternehmen, bricht sie uns das Genick, ehe wir auch nur einen Euro rübergerettet haben. Du weißt, dass wir in die Insolvenz müssen, und wenn du dich weiter querstellst, werden wir am Ende ohne einen einzigen Cent dastehen.
    Kurt schnitt an einem Stück Lamm und antwortete nicht.
    Weißt du, manchmal habe ich diese Arbeit auch satt, sagte Werner. Ein Unternehmen zu führen in unserem mit Subventionen gepolsterten Land, in dem jeder glaubt, ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz zu haben. Wir haben diese Angestellten zu lange verschont, wir haben unsere eigene Konjunktur damit geschwächt, weil wir, du und ich, so gute Menschen sind, oder einfach zu feige. Niemand konfrontiert die Leute gerne mit den Tatsachen, und es kommt nie der geeignete Moment, um die Menschen in die Freiheit zu entlassen, das ist das Letzte, wohin sie wollen. Fakt ist, das weißt du so gut wie ich, dass sie schon lange nicht mehr gebraucht werden. Und das Unternehmen Tietjen ebenso wenig.
    Müssen wir denn alles wissen?, fragte Kurt.
    Wir wissen es halt, sagte Werner und schenkte ihm den restlichen Wein ein. Du spielst den Aufrichtigen, aber in Wahrheit, Kurt, bist du keinen Deut besser als dein Vater. Du bist nur weniger geschickt als er.
    W.W. betrat wieder den Raum, eine Dame vom Cateringservice vor sich her treibend, ein dünnes Ding in steifer Kleidung, das ihnen die Kanapees gereicht hatte und, wie W.W. erzählte, auch etwas von Ökonomie verstand. Man bekommt ja nur noch diese studentischen Aushilfen. Nichts Gelerntes mehr. Was soll man machen.
    Er lächelte seinen Gästen zu und ließ sich neben Werner auf seinen Stuhl sinken.
    Wir müssen schauen, was sich vor der Insolvenz aus dem Firmenbesitz auslagern lässt, erklärte W.W. Ich übernehme Tietjen ja nicht aus Barmherzigkeit, ich möchte meine Gewinne machen und so, wie ihr derzeit dasteht, würde ich keine Gewinne machen, sofern nicht noch ein paar Rüben vom Hänger fallen. Ihr wisst, was ich meine. Noch etwas Wein, Kurt? Wir

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