Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
Wohltätigkeitsverein. Ich würde mich freuen, wenn es so wäre. Wir haben es lange mit Ihnen versucht. Wann sind Sie gekommen?
Luise schlug in den Akten nach, Christina Heller wagte nicht zu antworten, sie fürchtete, selbst jetzt einen Fehler zu begehen.
2008?, fragte Luise. Ist von denen, die mit Ihnen zusammen angefangen haben, noch jemand da? Sehen Sie, lediglich Herr Baum und Frau Kutschenreiter, und Frau Kutschenreiter, das werden Sie zugeben, ist eine unserer besten Angestellten, Sie werden sich nicht mit ihr messen wollen.
Luise blickte von den Unterlagen auf und lächelte. Es war dieses Lächeln, von dem Christina bislang nur gehört hatte.
Das war es schon, Frau Heller. Ich danke Ihnen, dass Sie Ihre Mittagspause für mich geopfert haben. Alles Weitere wird dann Frau Leuschner mit Ihnen regeln. Wir werden Ihnen natürlich ein gutes Entlassungszeugnis ausstellen. Gut im Rahmen des Möglichen. Sie entschuldigen mich, ich habe eine Sitzung.
Die drei Eisheiligen saßen bereits aufgereiht in ihren blauen Anzügen am Konferenztisch. Bentsch notierte etwas auf seinen Unterlagen, Serner kritzelte Krupp-Kreise aufs Protokoll, Rehlein fächelte sich Luft zu. Das Grau der sechziger Jahre hing fest und schwer über ihnen, sie fühlten sich in der sozialen Marktwirtschaft sicher, als hätte es die Siebziger nicht gegeben, und bei der Bundestagswahl entschieden sie sich vermutlich noch immer zwischen Ludwig Erhard und Walter Scheel.
Krays öffnete die Tür, er winkte zu den Eisheiligen hinüber, guten Tag, die Herren, trat vors Fenster, blieb kurz mit geschlossenen Augen in der Sonne stehen, lächelte, streckte seine Arme aus. Wenigstens er ist lebendig, dachte Luise.
Wunderbar, da wir jetzt vollzählig sind –
Kiesbert kommt noch, unterbrach Werner sie.
So? Die Sitzung ist aber auf 12 Uhr 15 festgesetzt.
Luise winkte Serner ans Clipboard, seine Hände flatterten auf und ab, er wirkte wie ein aufgeschrecktes Huhn. Werners Telefon blinkte auf dem Konferenztisch. Was hat KvW hier zu suchen?, fragte Luise ihn per Kurznachricht. Werner warf einen Blick auf das Display, antwortete aber nicht. Vor einigen Wochen hatte er Kiesbert mit den Worten eingestellt: Weil ich ihn von früher kenne, was aus Luises Sicht der denkbar schlechteste Grund war, jemandem eine Stelle anzubieten. Werner hatte Kiesbert von seiner kümmerlichen New Yorker Existenz befreit, die immer leerer geworden war, seitdem er Ende der neunziger Jahre Bergson Softstyle zielsicher in den Ruin geführt hatte. Warum man gerade so jemanden einstellen musste, war Luise schleierhaft, aber sie hatte Werners Vorschlag trotzdem abgesegnet, um ihn ruhigzustellen.
Bitte, Herr Serner, konzentrieren Sie sich, die elf Prozent Auslandsabsatz sehen auf Ihrem Diagramm aus, als würden wir unsere gesamte Firma damit finanzieren.
Das hier ist kein Malkurs, Frau Tietjen.
Das liegt nicht in Ihrem Entscheidungsbereich, Herr Bentsch.
Krays lachte kurz auf und zwinkerte Luise zu.
Entschuldigen Sie, ein dringendes Telefonat, ich habe es nicht eher geschafft. Kiesbert warf seine Akten auf den Tisch.
Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Kiesbert, sagte Luise. Ich erinnere mich nicht, dass ich Sie um Viertel nach zwölf herbestellt habe. Ich meine sogar, ich hätte Sie gar nicht bestellt.
Rehlein drehte sich zu Luise. Es hat doch keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden. Die Zahlen, die uns diese Woche vorgelegt wurden, sind ein Fiasko.
Ein Fiasko, milde ausgedrückt, pflichtete Bentsch ihm bei. Über den geplanten Ausbau des Amerikageschäfts brauchen wir gar nicht mehr zu reden.
Wir werden darüber reden, und zwar heute, sagte Luise.
Erklären Sie diese Zahlen vorher unseren Investoren, Frau Tietjen.
Erklären Sie sie erst einmal uns, fügte Serner hinzu.
Vielleicht wollen Sie damit beginnen, uns darzulegen, weshalb die Zahlen bis letzte Woche ganz anders ausgesehen haben, schlug Rehlein vor, lehnte sich zurück und schaute Luise triumphierend an.
Konstantin Krays wippte auf dem Besucherstuhl in Luises Büro und grinste sie an wie ein kleiner Junge, doch das half nicht mehr. Es war einer der Tage, an denen Luise Tietjen gerne alles hingeworfen hätte.
Vielleicht solltest du ein wenig Urlaub nehmen, das würde dir guttun, sagte Krays. Er stand auf, kam auf ihre Seite des Tisches und nahm ihr Gesicht in seine Hände.
Du hast nicht darüber zu entscheiden, was mir guttut, entgegnete Luise und schob seine Hände weg.
Du machst dich kaputt,
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