Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
geschlungen, Psychic Reading, Blue Ribbon Bar, 99 ¢.
Im Café warf jemand ein paar längliche Scheine auf den Tresen, ein anderer nahm sie, sie sahen aus wie Spielgeld, das achtlos herumgereicht wurde. Seine Tochter, zu der er sich an den Tisch setzte, blickte auf. Dass er zu spät gekommen sei, war alles, was sie zur Begrüßung sagte.
Eine Viertelstunde warte ich schon, früher wäre so etwas bei dir undenkbar gewesen, du hast nie jemanden warten lassen.
Als er sich vorsichtig nach seinem Schwager erkundigte, antwortete sie, dass es nicht mehr auf Werner ankomme. Kurt sah sie überrascht an, sie erwiderte seinen Blick, herrisch, ungeduldig, und dann, unvermittelt, lächelte sie. Ihre Stimme beinah mild: Du musst nicht mehr nach Werner fragen, sondern nach mir.
Kurt zog den Kaffeebecher an sich, starrte in das reflektierende Schwarz, er roch den Duft frischer Zimtwecken, er wollte Zimtwecken, lediglich Zimtwecken wollte er jetzt.
Ich kümmere mich um die Geschäfte, erklärte Luise. Werner hat nur noch wenig zu melden, wenn er es auch bislang vor sich selbst verleugnet. Das soll er gern tun, damit macht er es mir leichter. Luise hob ihre Tasse, ohne daraus zu trinken. Das Gleiche gilt übrigens für dich. Du hast in der Firma nichts mehr zu sagen.
Kurt blickte ihr ins Gesicht, aber er konnte nur Leere darin erkennen.
Wie hätte es denn anders weitergehen sollen?, fragte Luise. Wir mussten handlungsfähig werden, das weißt du. Ich musste es werden. Wir haben dich aus der Geschäftsführung entlassen.
Das könnt ihr nicht.
Natürlich können wir, alles geht auf die eine oder andere Weise. Man muss sich nur die richtigen Berater suchen, Werner hat das nie verstanden.
Warum weiß ich davon nichts?
Wessner hätte es dir mitteilen müssen. Er hat dir sicher einen Brief geschickt. Du hast ja auf keine seiner Nachrichten reagiert.
Und wie –, fragte Kurt und brach ab. Seine Tochter hob wieder eine Braue, diese elende Mimik. Wie sie ihn aus der Geschäftsführung hatten werfen können, fragte er.
Das war nicht sonderlich schwer. Du hast nicht einmal Wessner geschickt, um Einspruch zu erheben.
Ihr habt mich – in meiner Abwesenheit hast du – du hast mir die ganze Zeit nichts davon gesagt? Jedes Mal, wenn du hier warst?
Ich habe dich nicht aus Essen weggeschickt, sagte Luise. Du bist gegangen.
Sie öffnete ihre Aktentasche, hellbraunes Leder, zog Unterlagen heraus. Das sind die Pläne für den Umbau. Siehst du, ich lasse dich sogar teilhaben, obwohl ich nicht mehr dazu verpflichtet bin. Versteh es als Nettigkeit. Oder als Mitleid.
Als Mitleid?, wiederholte er fassungslos. Er sah seine Tochter an, aber er erkannte sie nicht mehr. Er blickte auf die Grafiken, Zahlen, Prognosen, die sie ihm zeigte, aber er verstand nichts. Weigerte sich, es zu verstehen. Es war sicher gewesen, dass die Firma, sobald er sich ihr entzog, auseinanderfallen würde. Er hörte ihre harten, abgehackten Sätze, die ihm die Zukunft der Firma darlegten, natürlich, sie hatte Verstand und einen eisernen Willen.
Du machst die gleichen Fehler, die alle Tietjens vor dir gemacht haben, fuhr er sie an. Und warum haben sie die Fehler gemacht? Damit wenigstens du etwas daraus lernst.
Luise hörte ihm zu, nickte, ohne ihm zuzustimmen, schüttelte ihre Armbanduhr unter ihrem Jackettärmel hervor.
Hör zu, ich muss los. Ich habe noch einen Termin mit einem Interessenten. Ich wollte dich nur in Kenntnis setzen. Jetzt weißt du, wie es steht. Und wenn du Geld brauchst, melde dich bei mir.
Sie stand auf, warf ein paar Scheine auf den Tresen, drehte sich noch einmal zu Kurt um, nickte ihm zu und verließ das Café. Er sah durch das Fenster, wie sie davonging, auf ihren champagnerfarbenen Pumps, die McGuiness Avenue entlang, eine Halde aus Sonderangeboten und Leuchtreklamen. Die Härte ihrer Schritte. Er versuchte sich zu überzeugen, dass das nicht seine Tochter war, aber er erkannte seine Tochter in ihr mehr denn je. Sie hatte Krays neben sich postiert, sie hatte Werner in seine Schranken verwiesen. Sie würde nicht nachgeben. Er hatte sie vor der Firma schützen wollen. Jetzt konnte er nur noch sich selbst schützen, vor ihr.
Was willst du eigentlich, Kurt? Endlich bist du die Firma los, und jetzt willst du sie nicht los sein?
Fanny saß am Esstisch und öffnete eine Flasche Wein aus seinem Vorrat. Sie bewegte sich wie selbstverständlich in seiner Wohnung, als sei sie die Hausherrin. Sie war häufig bei ihm, sie aßen abends
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