Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Roman (German Edition)
zusammen, und wenn er spät heimkam, nachdem er lange durch die erleuchteten Straßen gezogen war, lag sie auf seinem Sofa und schlief.
Du hast genug Geld, sagte Fanny. Du brauchst doch diese Firma nicht.
Was verstehst du vom Geld, entgegnete Kurt. Es ist mir nie ums Geld gegangen.
Fanny schob ihm sein Glas zu, er aber beachtete es nicht, musterte sie, ihre aufrechte Haltung, ihr ebenes Gesicht. Den ausgewaschenen Pullover hatte sie gegen eine frische Seidenbluse eingetauscht, ihr Make-up war sanft, die Wimperntusche krümelte nicht mehr auf ihre Wangen, was war nur aus ihr geworden. Er fürchtete plötzlich, sie könne wegen des Geldes bei ihm sein. Natürlich, ein absurder Gedanke, wegen der paar hundert Dollar, die er ihr jeden Monat zusteckte. Anfangs hatte sie sich sogar geweigert, sein Geld anzunehmen, er hatte es ihr aufgedrängt, damit sie dem Café einen Tag lang fernbleiben konnte, dann noch einen und noch einen. Jetzt nahm sie sein Geld bereitwillig und ging nur noch selten in die Havemeyer Street. Sie überflog wie zufällig die Stellenanzeigen in der Zeitung, sie trug wieder bessere Kleidung, womöglich, um hübsch für ihn zu sein. Aber Kurt sah, je länger er sie anstarrte, eine Frau, die wegen des Geldes bei ihm war. Er ekelte sich vor ihr.
Kannst du überhaupt mit Geld umgehen?, fragte er. Es haben sich schon Menschen an einem Lottogewinn zu Tode gesoffen. Besser, wenn man von der Krippe auf lernt, was Geld ist und was es anrichten kann.
Und du glaubst, dir die Welt kaufen zu können?, fragte sie scharf. Selbst für dich gibt es Grenzen. Du wirst immer in der Park Avenue bleiben, auch wenn du meinst, du hättest dir am Coffey Park ein Versteck gebaut.
Ich, sagte Kurt, kann mir alles nehmen.
Alles? Fanny starrte auf die Tischplatte und schüttelte den Kopf. Du kannst froh sein, wenn man dir nicht alles nimmt. Es ist ein Wunder, dass deine Tochter dich überhaupt noch besuchen kommt.
Du hast keine Ahnung, wer meine Tochter ist. Sie redet davon, dass sie hier ins große Geschäft einsteigen will. Die Firma ist überhaupt nicht gut genug, um in New York jemanden zu interessieren.
Das wird deine Tochter wohl selbst wissen, oder nicht? Lass sie doch endlich in Frieden. Dann hat sie ihre Ruhe und wir haben unsere.
Du verstehst es nicht, rief er. Er stand auf, ging zum Schreibtisch und kam mit einer Mappe zurück, E-Mails, die er ausgedruckt und nach Datum sortiert hatte, Briefe mit dem Emblem der Firma Tietjen.
Eine Behauptung, sagte Kurt. Die Firma Tietjen ist nie mehr als eine Behauptung gewesen. Dadurch ist sie groß geworden. Davon lebt sie. Und daran wird sie zugrunde gehen.
Woher hast du das?, fragte Fanny und durchblätterte die Papiere. Ein Vertrag über den US-amerikanischen Vertrieb des Tietjenfrottees bei Bloomingdale’s, Korrespondenzen mit der Vertriebsleitung der Kaufhauskette, Quartalszahlen der Firma Tietjen, ein Vertragsentwurf für den Verkauf von Firmenanteilen zu einem erstaunlich hohen Preis, noch einmal Quartalszahlen, allerdings mit einem besseren Ergebnis. Fanny stutzte, blätterte zurück, die Zeiträume waren identisch, doch die Zahlen stimmten nicht miteinander überein.
Verstehst du jetzt, worum es mir geht? Siehst du, was sie da macht, meine Tochter? Ich kann dir mehr zeigen. Willst du mehr sehen? Er schrie es: Mehr? Er spuckte die Worte in ihr Gesicht: Gib’s zu, du willst mehr sehen. Fanny blickte ihn entgeistert an, sie wollte aufstehen, aber er hielt sie am Handgelenk fest.
Kurt, was soll das, lass mich los.
Du kennst dich damit aus, sagte er, du hast jahrelang mit solchen Zahlen gearbeitet.
Ich werde nichts dazu sagen, erklärte Fanny. Das geht mich nichts an, und wenn du ehrlich bist, dich auch nicht.
Aber du siehst es doch. Das ist Betrug, was sie machen. Es liegt auf der Hand.
Das ist lächerlich, Kurt. Ein lächerlicher Betrug. Unwichtig. Die ganze Firma ist unwichtig. Zweihundertfünfzig Menschen, mein Gott, hier gehen an einem Tag Zehntausende vor die Hunde. Mach, was du willst, aber lass mich damit in Ruhe.
Es ist Betrug, wiederholte Kurt.
Warum kannst du nicht deinen Frieden mit der Firma schließen. Es ist nutzlos. Die Firma ist am Ende, sagte Fanny.
Er sah sie an, mit seinem überheblichen Lächeln, das er lange verborgen gehalten hatte. Wer ihrer Ansicht nach die Schuld dafür trug, dass die Firma am Ende war, hätte er fragen können, aber er wollte nicht hören, dass sie ihn für einen Versager hielt, dass er sein Erbe
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