Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
seit ich neun Jahre alt gewesen war.«
»Was ist passiert, als du neun warst?«, fragte ich ganz entgegen meiner Absicht.
»Der Krieg«, sagte er erbittert. Langsam drehte er sein Fußgelenk und verzog das Gesicht. »Mein Dad war Geschäftsführer in einem Lebensmittelmarkt. Es war nur ein kleiner Laden, keine Filiale einer der großen Ketten, und darum einer von denen, die zuerst untergegangen sind, als die Wirtschaft zusammengebrochen ist. Wir haben alles verloren.« Er blickte auf. »Den Wagen meines Vaters. Dann unsere Sachen. Das Haus. Meine Mom hat ihren Job auch verloren. Wir mussten uns Essensgutscheine beschaffen und für die Lebensmittel, die wir früher selbst verkauft hatten, Schlange stehen.«
Meine Unterschenkel schliefen ein, also kniete ich mich widerstrebend hin. Innerlich spürte ich eine merkwürdige Verbindung zu seiner Geschichte.
»Das fordert Tribut«, sagte er, und seine Kiefermuskulatur zuckte. »Das hat Mom immer gesagt. Es fordert einen Tribut, Tuck. Darum trinkt er so viel. Darum prügelt er uns die Scheiße aus dem Leib. Weil es einen Tribut fordert.«
Ich wollte das alles nicht hören. Ich wollte kein Mitgefühl für ihn empfinden, nicht ausgerechnet für ihn.
»Und dann kamen die Soldaten in die Stadt.« Nun sah er sehnsüchtig aus. »Und Dad bekam einen Job bei Horizons, und danach wurde alles wieder gut. Sein Boss kannte einen Rekrutierungsoffizier, und der kam in unser Haus und redete mit mir über eine Verpflichtung. Es hörte sich gut an, weißt du? Dieser Offizier, der hatte alles, was wir früher auch mal hatten. Autos, ein Haus, und niemand schrie da herum. Damals habe ich beschlossen, dass ich es tun würde.«
»Und als du erkannt hast, was die tun? Was du getan hast?«
Seine Augen brannten sich plötzlich sengend in meine, und er sprang auf, als wäre ihm gerade erst aufgefallen, wo wir waren.
Auch ich erhob mich und fragte ihn noch einmal: »Warum bist du hier?«
Er wirkte verunsichert. »Weil ich ein Soldat bin«, sagte er dann. »Aber da draußen, da bin ich gar nichts.«
Die Tür wurde aufgestoßen, und wir zuckten beide zusammen. Chase kam, die Hände auf dem Rücken verschränkt, zu mir. Als sein Blick auf seinen alten Partner fiel, ließ er sie sinken.
Wortlos verließ Tucker den Raum, doch ein Zweifel blieb zurück, tief in meinem Inneren.
»Alles in Ordnung?«, fragte Chase.
Ich nickte, er aber starrte die geschlossene Tür an, als hätte er viel lieber eine andere Antwort erhalten.
Inzwischen musste er den Plan kennen. Ich wusste, er würde sich dagegen wehren. Behaupten, wir könnten das nicht tun. Erklären, ich würde ohne ihn nirgends hingehen. Mit aller Macht würde er darum kämpfen, eine andere Möglichkeit zu suchen, und ich würde ihm sagen müssen, dass es keine andere Möglichkeit gab . Das war das Fenster, das wir nutzen mussten. Uns blieb nicht viel Zeit, bis die MM herausgefunden hätte, dass ich nicht tot war.
Ich legte ihm die Hand auf die Brust und bereitete mich innerlich auf die Auseinandersetzung vor, doch als sich unsere Blicke trafen, zögerte ich. Mir fielen wieder die Minuten ein, in denen ich unter dem Tisch festgesessen hatte; und dass mich die Furcht um sein Wohl am Leben gehalten hatte. Dass Panik und Verzweiflung stets am Rand unseres Gedächtnisses lauerten. Vielleicht dachte er genauso wie ich, denn er wandte den Blick ab, als könnte er es nicht länger ertragen, mich anzusehen.
Er zog einen silbernen Schlüssel aus der Tasche. »Chicago hat einen Ersatzschlüssel für den FBR -Van am Krankenhaus. Truck hat ihn Jack gegeben, ehe er abgefahren ist, für den Fall, dass sie ein Fahrzeug brauchen, ehe er wieder zurück ist.« Er steckte den Schlüssel wieder in die Tasche. »Sieht aus, als hätten wir unseren Fluchtwagen.«
»Okay«, sagte ich.
Ohne weitere Diskussion gingen wir hinaus.
Der Reformation Parkway war nur neun Blocks von der Stelle entfernt, an der wir die anderen zurückgelassen hatten. Das Krankenhaus war nicht schwer zu finden; es war gleich neben der Rekrutierungsbaracke des FBR , in der Chase und Tucker während ihrer Grundausbildung gelebt hatten.
Wo wir uns auf die Lauer legen würden, wusste ich bereits, bevor wir eintrafen. Ich wusste es, weil Truck, Jack und der Sanitäter Sean mir im Lazarett davon erzählt hatten. Da war dieses verlassene Gebäude, gleich gegenüber dem Krankenhaus und dem Rehazentrum, der Ort, von dem aus Mags ihren eigenen Mann erschossen hatte.
Durch eine unzureichend mit
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