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Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Titel: Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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baumelten.
    »Genau. Es war einmal ein acht Jahre alter Junge, der in diese … diese weit entfernte Stadt ziehen musste. Das alles ist vor langer Zeit passiert, als die Leute noch haufenweise Zeug herumzukarren hatten, also haben sie einen großen Lastwagen gemietet, um ihre Sachen zu transportieren.«
    Mir ging durch den Kopf, dass alles, was wir heute noch besaßen, in einer einzigen Tasche Platz fände. Er drehte sich um, sodass wir in dieselbe Richtung blickten, und stützte sich, gerade einen halben Meter von mir entfernt, auf die Ellbogen. Seine Füße reichten über die Matratze hinaus.
    Die Hände, die ich gerade noch fest zusammengefaltet hatte, entspannten sich.
    »Wir … ich meine, sie fuhren zwei Tage lang, bis sie zu dem Ort kamen, den der Vater der Familie auf Bildern gezeigt hatte. Alles schien in Ordnung zu sein; auf jeden Fall groß. Der Junge bekam sein eigenes Zimmer. Aber das Beste war das alte Spukhaus weiter oben an der Straße.« Er grinste. »Ein klassisches Spukhaus. Es gab sogar einen alten Friedhof. Also ging er hin, um es sich anzusehen, aber da war dieser andere Junge – in einem rosaroten Hemd –, der aus dem Gebüsch sprang und ihm sagte, er solle verschwinden, weil, stell dir vor, es dort nicht sicher war.«
    Vage tauchte das Hemd in meiner Erinnerung auf  – ein Artefakt aus einem anderen Leben.
    Er lachte trocken, ließ sich ganz zurückfallen und drehte sich auf die Seite, sodass sein Kopf auf seiner Hand ruhte. Zögernd nahm ich eine spiegelbildliche Haltung ein und legte den Kopf auf meinen angewinkelten Arm. Er war immer noch einen halben Meter entfernt, blickte aber nun auf mich herunter.
    »Wie sich herausgestellt hat, war er eine sie ; sie hatte sich selbst das Haar geschnitten. Hat irgendwas darüber erzählt, sie sei mit Kaugummi eingeschlafen. Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass das eine Menge Kaugummi gewesen sein …«
    Ohne nachzudenken rammte ich ihm ein Knie in die Rippen. Er zuckte zusammen. Ich hatte nicht daran gedacht, dass man ihm während der Haft die Rippen gebrochen hatte, aber er fing gleich an zu lachen, sodass ich keine Notwendigkeit verspürte, mich zu entschuldigen.
    Seine Hand aber blieb auf meinem Unterschenkel liegen und drückte mein Schienbein an seinen Körper. Ich schluckte. Ich konnte ihn spüren, nicht so, als würde uns eine gläserne Mauer trennen, sondern hier, direkt bei mir.
    »Jedenfalls, dieses Mädchen war eindeutig verrückt, wie es da mit dem rosaroten Hemd und dem Jungenhaarschnitt so ganz allein herumlief, also ließ unser Held zu, dass es versuchte, ihn herumzukommandieren, und sagte ihm, es solle ihn doch besser hineinlassen, denn offensichtlich spuke es an diesem Ort, und das müsse er untersuchen, anderenfalls … ich weiß nicht, wer weiß , was hätte passieren können. Und so gingen sie hinein …«
    Ich lächelte.
    »Und dann hat sich herausgestellt, dass das der beängstigendste Ort war, den er je in seinem Leben gesehen hatte. Kein sicherer Ort für kleine Mädchen. Ihm ging es natürlich gut. Absolut gut. Aber es wäre nicht richtig gewesen, ein Mädchen zu nötigen, sich an diesem Ort aufzuhalten, also behauptete er, er hätte die Mutter des Mädchens rufen hören. Nur, damit es sich nicht mies fühlte, weil es so ein Baby war.«
    Ein Kichern stieg in mir auf.
    Allein wäre ich nie mutig genug gewesen, dieses alte Haus zu betreten, aber als Chase aufgetaucht war, fest entschlossen, nachzusehen, was sich hinter den weißen Pfosten und den zerbrochenen Fensterläden verbarg, hatte ich nicht Nein sagen können. Ich hatte nicht gewusst, dass der säuerliche Geruch vom Asbest stammte und dass die Adern, die sich unter den Tapeten hindurchzogen, Termitenschnellwege waren. Mit sechs Jahren denkt man nicht an so etwas. Man denkt nur daran, dass sich Furcht in der Mitte spalten ließ wie eine Orange, sodass jeder die Hälfte davon essen konnte.
    Er zog mich etwas näher an sich heran, und ich ließ es ohne Gegenwehr geschehen.
    »Du wirst nie erraten, wo das Mädchen gewohnt hat.«
    Wir lächelten beide, und erst, als das Lächeln verblasste, erkannte ich, dass seine Hand an der Außenseite des Beins zu meiner Hüfte emporgewandert war und seine Finger langsam kleine Kreise zogen, die sich durch meine Jeans brannten. Ich fragte mich, wie sich die Berührung wohl auf meiner nackten Haut anfühlen würde.
    Mit den Fingern strich er mir die dunklen, kurzen Ponyfransen von der Stirn und drückte mir sanft die Lippen über

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