Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
begrüßte mich schnurrend.
Daheim. Dies war nicht das Zuhause, von dem ich immer geträumt hatte, aber das Gefühl war dennoch da, und ich lächelte, weil ich mir nun endlich das Recht verdient hatte, hier zu sein.
Laute Stimmen auf dem Gang weckten meine Aufmerksamkeit. Offenbar waren wir nicht die Einzigen, die zurückgekommen waren. Chase drehte ab zum Kontrollraum, um sich zu erkundigen, ob es etwas Neues im Zentralrechner gab, aber ich war nicht bereit für schlechte Nachrichten, nicht, nachdem ich meine erste Mission erfolgreich abgeschlossen hatte, also hastete ich in Richtung Lagerraum. Dort versperrte mir eine große Gruppe von Leuten den Weg, bei deren Anblick mir warm ums Herz wurde.
Sean stand gleich vor der Tür des Vorratsraums, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und streckte den Rücken durch. Er war schmutzig und sah erschöpft aus, und als ich mich an den anderen vorbeidrängte, konnte ich den Schlamm und den Schweiß an seinem Körper riechen. Aber das war egal; ich war froh, dass er in Sicherheit war. Ohne weiter darüber nachzudenken, schlang ich die Arme um seine Leibesmitte.
»Du bist zurück«, rief ich erleichtert. »Gott, du stinkst.«
Er drückte mich und verwuschelte mir ausgiebig das Haar. »Als würdest du so viel besser riechen.«
Die Empfangstruppe füllte den Gang vollständig aus, und als Sean versuchte, meinem Faustschlag auszuweichen, prallte er rückwärts gegen Lincoln, der, als er mich sah, rief: »Hey, du lebst ja noch« und mir auf den Rücken klopfte. Auch Houston, der hinter ihm stand, gratulierte mir.
Sean zog mich zur Seite. Zum ersten Mal seit Wochen schien er sich über irgendetwas wirklich zu freuen.
»Der Neue erinnert sich, dass Becca in der Basis gewesen ist«, erzählte er. »Er hat sie nie gesehen, ehe sie nach Chicago überstellt wurde, aber er hat ihren Namen auf der Liste der Insassen gelesen.«
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Endlich hatten wir eine Spur.
Für einen Moment war der Weg vor mir frei, und ich konnte einen Blick auf den Rekruten im Vorratsraum werfen. Zwar sah ich nur sein Profil, aber sein Gesicht war ungepflegt, das blonde Haar fettig, und die muskulösen Schultern waren gebeugt. Er trug schwarze Hosen aus einer Kleiderspende und ein graues, langärmeliges Thermohemd, das über einem verkratzten, halb vom Arm gerissenen Gipsverband bis zu den Ellbogen hochgekrempelt war. Von der Stelle, an der ich stand, konnte ich die schwachen, rosafarbenen Linien dreier parallel verlaufender Narben sehen, die von seinem Ohr zum Kragen führten.
Narben, die von Fingernägeln stammten.
Von meinen Fingernägeln.
Tucker Morris.
Einen Augenblick empfand ich Furcht. Übermächtige Angst, schlimm genug, dass mir das Blut in den Adern gefror und mir der Atem stockte. Einen Augenblick war ich wie gelähmt von den auf mich einstürmenden Bildern. Die Verhaftung. Der Hass in seinen Augen. Der Geruch seines Atems. Diese Worte, die ich in meinem Kopf immer und immer wieder gehört hatte: Ich bin ein verdammt guter Soldat, und ich habe getan, was getan werden musste.
Und dann übermannte mich die Wut. Ohne einen weiteren Gedanken stürzte ich voran. Er war mir gefolgt. Er war gekommen, um die Sache zu Ende zu bringen. Tja, ich würde ihm zuvorkommen. Ich würde ihn in Stücke reißen. Aber Sean packte meine Schultern. Wie ein in die Enge getriebenes Tier kämpfte ich gegen ihn an, sah nicht mehr meinen Freund, sondern nur noch Gefahr. Fühlte, wie sie an meinen Gliedern zerrte. Mein Ellbogen zuckte zurück und prallte gegen sein Kinn, und eine Flut von Verwünschungen strömte über seine Lippen.
In einem sengenden Stoß löste sich der Atem aus meiner Lunge: »Weg hier!«
Wallace stürzte durch die Tür des Vorratsraums, aber nun blockierte eine andere Gestalt meinen Weg. Riggins. Ich zuckte zur Seite. Seine Finger verfingen sich in meiner Kleidung, vielleicht absichtsvoll. Vielleicht hielt er mich mit Absicht hier fest.
»Ember! Wo ist sie?« Erst sah ich nur sein schwarzes Haar, dann das Schimmern des silbernen Pistolenlaufs. Die Bahn war frei, als die, die ihm am nächsten waren, sich wegduckten. Billy stürzte sich auf Chase’ ausgestreckten Arm, aber es war zu spät. Der Abzug war schon durchgezogen worden.
Das Donnern des Schusses schickte mich automatisch zu Boden. Roter Pulloverstoff blitzte vor meinen Augen auf, dann wurden meine Finger von einem Schuh gequetscht. Das Nächste, was ich sah, war Seans Faust an meinem
Weitere Kostenlose Bücher