Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
Soldat musste gesehen haben, dass Tucker mir gefolgt und allein zurückgekommen war.
»Und dann haben sie beschlossen, dich rauszuwerfen, mich aber noch einen ganzen Monat lang nicht zur Fahndung ausgeschrieben? Lass mich raten, sie wollten dir einen Vorsprung verschaffen«, kommentierte ich.
Tucker schnaubte verächtlich. »Bildest du dir etwa ein, die hätten gewollt, dass in der ganzen Region bekannt wird, dass jemand – noch dazu ein Mädchen – aus dem Arrest entkommen ist? Was meinst du, wie die dann dagestanden hätten? Jetzt können sie dich wenigstens als Komplizin eines Serientäters hinstellen.«
Darauf hatte ich keine Antwort. Tuckers Geschichte war plausibel. Und nun ergab es auch einen Sinn, warum ich zusammen mit den vier anderen Verdächtigen auf der Fahndungsliste aufgetaucht war. Die MM wollte meinen Tod, und dadurch, dass sie mich mit dem Heckenschützen in Verbindung brachten, wirkte ich gefährlich und rücksichtslos. Fähig, aus dem Arrest zu fliehen. Wäre ich eine abgebrühte Verbrecherin, würde das ihre Niederlage rechtfertigen.
»Aber … er ist ein Mörder«, stammelte ich.
»Denkst du, er ist die erste Person hier, die sich so nennen lassen muss?« Wallace bebte beinahe vor Ärger, und in seinen Augen flackerte Zorn. »Denkst du, ich wäre so anders als er?«
Alle schwiegen. Alle Augen ruhten auf Wallace. Auch meine, die bis dahin den verdrießlichen Tucker gemustert hatten.
Wallace hatte Menschen umgebracht. Möglicherweise Leute, die gegen einen oder mehrere der Artikel verstoßen hatten. Möglicherweise Leute wie meine Mutter. Und andere hier – Riggins, Houston, Lincoln – hatten das vielleicht auch getan. Sean nicht, das hatte Rebecca mir erzählt, aber in der Reformschule hatte er Mädchen in die Hütte geschleift. Mädchen wie Rosa Montoya, die im Bus neben mir gesessen hatte. Die, seit Sean und die Wachen sie gefoltert hatten, nicht mehr sie selbst war.
Wochenlang hatte ich hier gelebt und mich sicherer gefühlt, als ich es nach der Verhaftung meiner Mutter je getan hatte, und dabei hatte ich die offensichtlichste Tatsache einfach ausgeblendet: Ich sprach nicht über meine Vergangenheit, und das taten die anderen auch nicht .
So schlimm ist das nicht, sagte ich mir im Stillen, obwohl ich angesichts dieser neuen Realität erzitterte. Sie hatten schlimme Dinge getan, aber sie waren keine schlechten Menschen. Hatte Chase nicht auch nur Zentimeter von dieser Klippe entfernt gestanden? Und er war zu mir zurückgekehrt, hatte sich reingewaschen. Genau wie Wallace und die anderen auch.
Aber nicht Tucker. Tucker Morris konnte nie ein guter Mensch sein.
Inzwischen schmollte er, aber das war natürlich nur Getue. Er versuchte, mich durch seine zerlumpte Straßenkleidung und sein schmutziges Gesicht auf seine Seite zu ziehen. Mit den gefälschten Entlassungspapieren, die Billy vermutlich im Zentralrechner gesehen hatte, und mit seinem Ärger, weil seine kostbare Karriere durch mich ruiniert war. Aber darauf würde ich nicht hereinfallen.
»Er oder wir – wir beide –, Wallace. Deine Entscheidung«, forderte ich mit fester Stimme, während ich ihn in Gedanken geradezu anbettelte, doch endlich Vernunft anzunehmen, uns in Hinblick auf Tucker zu vertrauen und den Unterschlupf zu evakuieren.
»Ich gehe besser«, sagte Tucker. »Ich gehe … ich weiß nicht. Irgendwohin.«
»Du bleibst«, widersprach Wallace.
Zum ersten Mal zitterten meine Knie spürbar.
Wallace hatte seine Wahl getroffen. Für den Widerstand, ermahnte ich mich. Es ist nichts Persönliches. Aber es fühlte sich so an. Er hatte mich mit diesem Familiengerede eingelullt, und ich Schaf hatte es ihm abgekauft. Als könnte es die Leere in mir ausfüllen. Dreimal musste ich mich auffordern, mich wieder zu rühren, ehe ich es endlich tat.
»Kann ich bitte unsere Sachen holen?«
Wallace verzog das Gesicht. »Hol mal jemand ihr Zeug. Nur das, womit sie gekommen sind.« Dann kehrte er zurück in den Vorratsraum.
Eine Minute später tauchte Billy mit unserem Rucksack in der Hand auf, schaute mich aber nicht an. Besser so. Ich konnte es nicht ausstehen, Freunde zu verlieren.
Sean fluchte heftig, konnte aber nicht mit uns gehen, solange er noch auf Informationen über Rebecca warten musste. Riggins versuchte, mit Wallace zu debattieren. Am Ende begleiteten uns Lincoln und Houston hinunter und durch die Lobby. Vorbei an John, dem Eigentümer, der uns ahnungslos daran erinnerte, dass wir ihm Zigaretten
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