Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
Da waren Bäume, die ich erkannte, Hornsträucher, die sich schon jetzt unter einer Vielzahl von Blüten rosa färbten. Große, wuchernde Gräser und Unkräuter in sämtlichen Vorgärten. Ich erinnerte mich an die Zeit vor dem Krieg, als die Leute noch Rasenmäher benutzt hatten. Was für eine Verschwendung. Das Benzin, das die Dinger verbrauchten, hätte gereicht, einen Generator mehrere Stunden lang zu betreiben.
Dort, auf dem Gehsteig, war ich gestürzt und hatte mir das Knie aufgeschlagen. An jener Ecke hatte einmal ein Mädchen einen Stand aufgebaut und Limonade für einen Vierteldollar pro Glas angeboten. Und gleich hinter dieser hohen Ziegelmauer hatte ich gestanden, als ich mich in Chase verliebt hatte. Damals war ich gerade neun, und er hatte eben ein Wettrennen gegen Matt Epstein gewonnen. Er war der schnellste Junge auf der ganzen Welt gewesen.
An vielen Türen klebten Statutenrundschreiben. Wie viele Leute waren seit meiner Revision noch geholt worden?
Wir erreichten die Ewing Avenue – meine Straße –, und ein leises Wimmern löste sich aus meiner Kehle.
Ich blickte die steile Böschung zur Rechten hinauf, doch das alte, verlassene Haus, in dem ich Chase erstmals begegnet war, versteckte sich in der Dunkelheit. Es versteckte sich, ganz wie die Kinder, die wir mal waren.
Nun war mein Haus in Sichtweite. Klein, kastenförmig, weiß und beinahe ein Zwilling des Nachbargebäudes, in dem die Jennings gelebt hatten.
»Keine abrupten Bewegungen«, zischte Chase. Zwei Scheinwerfer tauchten auf dem Gipfel eines Hügels weiter oben an der Straße auf und brachten mein Herz ins Stolpern. Dann passierte der FBR -Streifenwagen Mrs Crowleys Haus, das meinem gleich gegenüber lag.
»Sie sind schon hier!« Meine Kehle war rau vor Anspannung, und ich biss mir auf die Lippe, um nicht aufzuschreien, fest genug, dass sie zu bluten anfing.
»Das ist nur eine Sperrstundenpatrouille«, murmelte Chase, als wir vorüberrollten. »Genau wie wir.«
Die getönten Scheiben waren zu dunkel, um in das Innere zu schauen, doch der Streifenwagen rollte einfach weiter zur nächsten Kreuzung und verschwand um die Ecke, während Sean friedlich im Fond schnarchte.
Wir näherten uns dem Haus. Der vertraute L-f örmige Weg führte zu der Eingangstür, an der noch immer ein Statutenrundschreiben prangte, das Rundschreiben, das während meiner Verhaftung dort hinterlassen worden war. Eine einzelne Träne rann über meine Wange, und ich wischte sie hastig fort.
»Schaut.« Ich zeigte auf das Haus. Unter dem Wohnzimmerfenster hatte jemand mit schwarzer Farbe Worte auf die Wand gesprüht. Ein Heiles Land, Eine Heile Familie.
Jemand war hier. Jemand setzte sich zur Wehr. Mein Puls raste.
Chase knöpfte einhändig seinen Kragen zu, den er während der Fahrt offen gelassen hatte. »Wir parken um die Ecke und gehen durch meinen Garten. Sehen uns dein Haus von meinem aus an.«
Ich musste da so schnell wie möglich rein, schrak aber auch vor dem zurück, was uns dort erwarten mochte.
Wir parkten zwei Straßen weiter in einer Sackgasse, in der sich der Müll, den die städtischen Arbeiter übersehen hatten, zusammen mit dem Windbruch der Bäume um uns herum stapelte. Ich erkannte die Ecke, wenn auch nur vage. Hier hatten Chase und ich als Kinder gespielt. Verstecken. Die Sackgasse lag nahe genug an unseren Häusern, dass wir es noch hören konnten, wenn unsere Eltern uns zum Essen riefen.
Es war entmutigend zu sehen, wie sich dieser Ort verändert hatte. Heute war er dunkel und still. Die, die noch nicht weggezogen waren, verbargen sich wegen der Sperrstunde in ihren Häusern. Und die, die durch ihre zugezogenen Vorhänge einen Blick auf unseren Streifenwagen erhaschten, hatten Angst.
Chase schaltete den Motor aus. Hinter uns wurde Sean wach und sah sich um.
Zeit zu gehen, sagte ich mir, aber meine Beine wollten sich nicht bewegen.
Sean stieg aus. Chase folgte ihm, und ich hörte die beiden mit gedämpften Stimmen miteinander reden. Dann ging Sean verstohlen und stets im tiefsten Schatten um den Block. Er würde an einer Stelle weiter oben an der Straße Wache halten.
Steh auf. Immer noch keine Reaktion.
Chase kehrte zum Wagen zurück, stieg ein und rieb sich mit dem Handballen die Stirn. Schweigend saßen wir da. Eine Minute. Zwei. Wir hatten keine Zeit zu verschwenden; der Sonnenaufgang rückte näher, und wir mussten weiter nach Chicago, aber das konnte ich mir tausendmal sagen, ich fand doch nicht den Mut, die Tür zu
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