Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
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Langsam beugte sich Chase über die Mittelkonsole und löste vorsichtig meinen Sicherheitsgurt. Selbst, als er seine Hand schon weggezogen hatte, konnte ich sie noch dort, wo sie meinen Körper berührt hatte, spüren.
Ich wusste, es gab Dinge, die er mir sagen wollte. Chase-Dinge. Dinge wie Wir müssen das nicht tun, oder Wie wäre es, wenn ich nachsehe und du hier bleibst . Aber er sagte nichts dergleichen. Vielleicht wusste er, wie meine Antwort lauten würde. Wahrscheinlich wusste er so gut wie ich, dass dies etwas war, das wir tun mussten. Dieses ungelöste Geheimnis würde uns anderenfalls für den Rest unseres höchstwahrscheinlich kurzen Lebens verfolgen.
Er blieb dicht bei mir, und die Wärme seines Körpers überbrückte den kurzen Abstand zwischen uns. Ich hörte seinen Atem. Seine Uniformjacke rutschte weg, und im Mondschein konnte ich den Übergang seines Halses zu der muskulösen Schulter sehen. Und die Zahnabdrücke an der Stelle, an der ich ihn gebissen hatte, als ich so wütend auf Tucker gewesen war. Scham erhitzte meine Wangen. Chase war nicht der Ursprung meines Ärgers gewesen, aber wie es schien, bekam er stets die Hauptlast zu spüren.
Zögernd lehnte ich mich zu ihm hinüber und küsste die Stelle. Ich konnte es wieder gutmachen, dachte ich. Ich konnte all die harten Worte vergessen machen, wenn er mir nur die Chance dazu gab.
Seine Haut war weich, aber die Muskeln darunter waren angespannt und hart. Meine Lippen verweilten an seinem Hals, als seine Atemzüge in meinem Haar schneller wurden. Ich schloss die Augen.
»Es ist Zeit«, sagte er schleppend. »Gehen wir, Em.«
Wir stiegen aus dem gestohlenen FBR -Streifenwagen, wohl wissend, dass wir die Ungewissheit und die Sicherheit all dessen, was wir einst für wahr gehalten hatten, hinter uns ließen. Nun gab es kein Zurück mehr. Die Hoffnung mit all ihren schrecklichen Folgen hatte uns fest im Griff. Und in wenigen Minuten würden wir die Wahrheit erfahren.
Entweder meine Mutter lebte noch oder jemand spielte ein sehr gefährliches Spiel
K APITEL
13
Wir hasteten zwischen zwei Garagenhöfen hindurch und huschten durch den Garten in Chase’ Haus. Der Adrenalinschub in meinen Adern gab mir die Kraft, über den Zaun zu klettern, machte mich aber auch zappelig.
Ich wartete in dem wuchernden Gras neben der Hintertür, während Chase leise im Gebüsch nach einem großen Stein tastete, unter dem, zu meiner Überraschung, ein schmutziger Plastikbeutel mit einem Schlüssel zum Vorschein kam, und obwohl er ein wenig hakte, öffnete sich die Tür praktisch geräuschlos.
»Bleib hier«, flüsterte er, als wir hineingeschlichen waren.
Ich hielt mich unten an der Wand gleich hinter der Tür zum Wohnzimmer und wartete darauf, dass sich meine Augen an die Finsternis gewöhnten. Chase hatte eine Taschenlampe und eine Waffe bei sich und hielt eines über das andere, achtete aber sorgsam darauf, den Lichtstrahl so auszurichten, dass er nicht auf ein Fenster treffen konnte. Ich atmete tief ein und glaubte, der Ort müsse nach tröstlichen Erinnerungen riechen, doch das tat er nicht. Er roch nur alt und kalt, ganz anders als das Haus, in dem ich die Hälfte meiner Kindheit zugebracht hatte.
Nach einer Inspektion sämtlicher Räume kehrte Chase zu mir zurück. Die Taschenlampe steckte ausgeschaltet in seiner Tasche, und er hatte auch die Pistole wieder ins Halfter gesteckt, aber mir entging nicht, dass er es nicht geschlossen hatte. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass irgendeine vorüberkommende Patrouille auf die Idee kam, das Haus zu kontrollieren.
»Leer«, sagte er mit einer Mischung aus Erleichterung und Bedauern.
Langsam stand ich auf. Es war so dunkel, ich konnte nur verschiedene Abstufungen von Schwärze erkennen, aber das reichte, um festzustellen, dass es in dem Raum keine Möbel mehr gab. Nachdem seine Eltern gestorben waren, hatte sein Onkel jemanden angeheuert, der den Großteil ihrer Habe bei einem Garagenverkauf verhökert hatte. Ein paar Stücke waren zurückgeblieben – die, die sich nicht einmal zum Spenden geeignet hatten. Ein schiefer Pflanzkorb aus Weidengeflecht. Und ein paar Gartenstühle lehnten noch an der Wand zum Esszimmer. Auf Zehenspitzen schlich ich um die Ecke in die Küche und sah den Drahtgeschirrkorb auf dem Küchentisch; der letzte verbliebene Hinweis auf die Frau, die uns nach der Schule Kekse gebacken hatte.
»Es ist unheimlich hier, jetzt, wo all eure Sachen weg sind.« Ich schlang die
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