Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)
mitgenommen; mir war, als könnte ich seinen Zorn zwischen uns brodeln spüren. Und wir fuhren an einen Ort, der ihm keinerlei Trost zu bieten hatte. Chicago war nicht gut zu ihm gewesen. Für ihn repräsentierte die Stadt den Krieg und die Suche nach Nahrung und Obdach und später das FBR . Das war kein Ort, mit dem er glückliche Erinnerungen verknüpfte.
Straßenschilder nach Indy tauchten auf. In großen, mit Sprühfarbe geschriebenen Lettern stand dort: GESÄUBERT . Indianapolis war während der Bombardierung von Chicago evakuiert worden. Damals hatte man geglaubt, die Insurgenten würden dort als Nächstes zuschlagen. Ich hatte Gerüchte gehört, die besagten, dass die Leute versucht hatten, in die Stadt zurückzukehren, aber von der MM aufgehalten wurden, weil sie zur Gelben Zone umfunktioniert werden sollte, besetzt von Soldaten.
Ein vorsichtiger Blick aus dem Fenster offenbarte nichts außer der Mondsichel und langen, im Mondschein silbrig schimmernden Gräsern, die über den Straßenrand wucherten. Hier war der Highway nur noch zweispurig. Plötzlich trat Chase hart auf die Bremse und stellte den Wagen in schiefem Winkel zur Straße abseits des Asphalts ab. Ohne die übliche Vorsicht, ohne den Wagen zu verstecken oder darauf zu achten, möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen. Nein, er hatte es eilig. Meine Augen bohrten sich in die Nacht, als ich versuchte, herauszufinden, ob ich irgendeine Gefahr übersehen hatte.
Chase stieß die Wagentür auf und entriegelte die hinteren Türen.
»Bleib hier«, grollte er.
Ich tat es nicht.
Er ging um den Wagen herum zu der Tür, aus der Tucker herauskletterte, und rammte ihn gegen das Fahrzeug.
»Hey!« Sean rannte um den Kofferraum herum und versuchte, die beiden zu trennen, aber Chase war etwa fünfzehn Zentimeter größer und gute dreizehn Kilo schwerer.
»Halt dich da raus«, warnte ihn Chase, und Sean wich einen Schritt weit zurück.
»Gib mir deine Waffe«, forderte er jedoch. »Mehr verlange ich nicht.«
Tucker keuchte. Jegliche Luft wurde ihm aus der Lunge gepresst. Er versuchte, sich aufzurichten, aber Chase drückte ihn erneut herunter und versetzte ihm einen harten Tritt in den Bauch.
»Chase!«, schrie ich.
Wie es schien, war meine Stimme durch seinen Zorn zu ihm vorgedrungen. Zwar blickte er mich nicht an, aber ich sah, wie seine Schultern herabsanken.
Ich hatte keine Ahnung, was in ihm vorging. Wir konnten nicht einfach hier anhalten. Die Straßen waren beinahe verlassen, aber wir näherten uns einer Basis. Was, wenn ein Streifenwagen vorbeikam?
Und gleichzeitig wollte ich es selbst. Ich wollte, dass er Tucker wehtat, dass er die Wahrheit aus ihm herausprügelte. Aber Tucker war unbewaffnet, und Chase war in seiner Wut imstande, ihn umzubringen, und dann hätte er Tuckers Blut für den Rest des Lebens an seinen Händen. Und ich auch, denn ich hätte dabeigestanden. Das durfte nicht geschehen. Es war einfach falsch.
»Ich habe dir das Leben gerettet!«, keuchte Tucker. »Die Frau in der Haftanstalt – Delilah –, sie wollte denen sagen, dass sie dich lebend gesehen hatte! Ich konnte Embers Flucht nicht vertuschen, aber ich habe dich gedeckt! Ich habe dafür gesorgt, dass sie verschwindet.«
»Du hast sie umbringen lassen.« Mir war übel. Sie war durch meine Schuld gestorben. Wäre ich nicht geflohen, würde sie noch leben.
Seine grünen Augen verweilten bei Chase. »Ich habe sie nur … geängstigt. Das ist alles. Damit sie den Mund hält.« Inzwischen war er auf den Knien und bettelte förmlich.
»Warum?«, wollte Chase wissen.
»Keine Ahnung«, fauchte Tucker. »Wir waren Partner.«
Chase lachte dumpf und beängstigend auf und beugte sich herab, sodass sein Gesicht direkt vor dem von Tucker war. »Du hast mich bei unserem kommandierenden Offizier in die Pfanne gehauen und dafür gesorgt, dass die mich jeden Abend im Ring gequält haben, und du hast jemanden getötet, der mir am Herzen lag. Nein. Wir waren nie Partner.«
»Willst du nicht in diese Einrichtung rein?«, brüllte nun Tucker und rieb sich den Hinterkopf, wo er beim Aussteigen an die Metallstrebe über der Seitenscheibe geknallt war. Seine andere Hand hielt er schützend vor den Körper.
»Welche Einrichtung?«, fragte Sean.
»Die, in der deine Freundin festgehalten wird.« Er holte tief Luft. »Sie ist gleich neben dem Krankenhaus. Ich habe dort eine Weile Dienst geschoben, nachdem sie Jennings rausgeworfen haben. Zur Übung für den Dienst in der Haftanstalt von
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