Gesetz des Todes
eine ganz andere Geschichte. Die Nonnen gehörten einer Ordensgemeinschaft an, die sich ›Little Sisters of Pity‹ nannte. Belov hatte der Institution einen beträchtlichen Geldbetrag zukommen lassen, mit dem mehrere Operationssäle und modernstes medizinisches Gerät angeschafft worden war. Das Ergebnis war eine Klinik, die nicht nur der lokalen Bevölkerung, sondern auch dem Ansehen von Belov zugute kam.
Die Mutter Oberin, Schwester Teresa, arbeitete als Chirurgin. Sie bat Greta unverzüglich in ihre Ordination, besah sich die Wunde und runzelte die Stirn. »Sie haben ganz schön was abgekriegt.«
»Sie hatte einen Unfall«, erklärte Ashimov.
Greta improvisierte sogleich: »Ich habe mich schrecklich ungeschickt angestellt. Ich wollte auf ein Fischerboot steigen, das im Hafen vertäut lag, bin am Heck ausgerutscht und gestürzt.«
»Das muss ja ein kapitaler Sturz gewesen sein, so wie Sie aussehen.«
»Nein, ich bin ins Wasser gefallen. So was Dummes.«
»Nun, die Wunde muss mit einem oder zwei Stichen genäht werden, und ich glaube, es würde nicht schaden, den Schädel kurz zu röntgen.«
»Haben wir für all das Zeit?«, erkundigte sich Greta bei Ashimov.
»Sie können mitkommen und den Eingriff durch die Glasscheibe im OP mitverfolgen, aber nur, wenn Sie nicht rauchen«, erklärte Schwester Teresa in tadelndem Tonfall und führte Greta hinaus.
Ashimov ging nach draußen, um nachzudenken – und rauchte. Er rauchte sogar etliche Zigaretten, während er die vergangenen Geschehnisse noch einmal Revue passieren ließ. Eigentlich müsste er tot sein, erfreute sich aber dank der Titanweste, die Belov ihm geschenkt hatte, bester Gesundheit. Ferguson war bestimmt auch ganz scharf auf dieses Ding, wenn man bedachte, was mit Bernstein, den Salters und Dillon passiert war. Immer dieser verdammte Dillon. Jetzt war Belov tot. Er dachte an ihre gemeinsamen Jahre in Afghanistan, im Irak und in Tschetschenien, und was jetzt daraus geworden war. Nun, die würden alle dafür bezahlen, dafür würde er schon sorgen.
Sein kodiertes Mobiltelefon klingelte, und er nahm den Anruf an. Es war Volkov. »Das Flugzeug sollte Ihnen in dreißig Minuten zur Verfügung stehen. Ist etwas Besonderes vorgefallen?«
Ashimov berichtete ihm von Gretas erstaunlichem Entkommen.
»Das sind ja sehr erfreuliche Neuigkeiten. Sie könnte uns von großem Nutzen sein.«
»Liam Bell organisiert soeben in Dublin eine neue Truppe. Ich habe Vorkehrungen getroffen, dass er über die wahren Geschehnisse nicht informiert wird, soweit sie Belov betreffen. Es gibt nur noch einen einzigen Menschen außer mir, der davon Kenntnis hat.«
»Und wer ist das?« Ashimov erzählte es ihm. »Dann wollen wir hoffen, dass Ihre Einschätzung sich als richtig erweist. Wir sehen uns bald.«
Ashimov zündete sich eine neue Zigarette an. Volkov war einer der wenigen Menschen, die ihm wirklich imponierten. Ein Mann voller Geheimnisse und jenseits der Reichweite jedweder russischen Regierungsorganisation. Der Ansatz eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Er war Ferguson in gewisser Weise nicht unähnlich. Ja, ein russischer Ferguson, nur dem Präsidenten verantwortlich.
Er warf seine Zigarette weg, als ein Flugzeug über ihn hinwegdonnerte, offensichtlich im Landeanflug auf die Piste, die Belov auf dem Klostergelände hatte anlegen lassen. Kaum hatte er sich wieder am Empfang der Klinik eingefunden, kam auch schon Oberin Teresa mit Greta aus dem OP.
»Leider waren fünf Stiche nötig, aber keine Angst, mit Nadel und Faden kann ich perfekt umgehen. Keine Frakturen, jedoch beachtliche Prellungen. Sie müssen sich schonen, meine Liebe.«
Ashimov bedankte sich. »Wir müssen leider sofort aufbrechen«, erklärte er. »Das war unser Flugzeug, das eben gelandet ist.«
»Freut mich, dass ich Ihnen behilflich sein konnte. Bestellen Sie Mr. Belov bitte herzliche Grüße.«
»Das mache ich.«
Er nahm Greta am Ellbogen und führte sie zum klostereigenen Wagen. »Bist du einigermaßen fit?«, erkundigte er sich, als er ihr beim Einsteigen half.
Ein makelloser Verband zierte ihre Stirn. Vorsichtig berührte sie ihn mit den Fingerspitzen. »Sie haben mir eine Lokalanästhesie gegeben. Ich bin nur unendlich müde.«
Er schob sich hinters Lenkrad. »Du kannst im Flugzeug schlafen. Nächste Station: Moskau.«
*
Der März zeigte sich in Moskau von seiner gewohnten Seite. Es hatte den Anschein gehabt, als würde es endlich zu schneien aufhören, doch bei der Landung
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