Gesetz des Todes
gestoßenem Eis. Der eine Kellner reichte den Sicherheitsbeamten ihre Drinks, der andere bediente die Gäste am Tisch, und ein dritter servierte den Beluga.
Beim Anblick des Kaviars bemerkte Ashimov zu Levin: »Sie leben nicht schlecht, mein Freund.«
»Ich könnte schon morgen tot sein, das haben mich meine Einsätze in Afghanistan und Tschetschenien gelehrt.« Er brach ein Stück Toast ab und häufte einen Löffel Kaviar darauf.
»Ein wahrer Gaumenschmaus«, lobte Greta, die es Levin gleichtat.
»Ich bin damals in der tschetschenischen Hauptstadt auf den Geschmack gekommen. Da haben wir das Grand Hotel eingenommen – ein überaus blutiges Unterfangen. Den Beluga fanden wir in einem Kühlschrank hinter der Bar in der Küche. Ein paar von uns überlebten das Feuergefecht. Nicht viele. Die 21. unabhängige Fallschirmjäger-Kompanie erledigte jeden, den sie in die Finger bekam. Wir schlangen gerade den Kaviar hinunter, als wir im Foyer jemanden Klavier spielen hörten. Wir rannten hinaus, um zu sehen, was da vor sich ging, und wer saß am Klavier? Ein Infanteriehauptmann namens Max Zubin.«
»Und was hat er gespielt?«, wollte Greta wissen?
»›As Time Goes By‹. Ich schwöre bei Gott, genau wie in Casablanca. Sie kennen diesen alten Film? Ich habe ihn im Original gesehen, und synchronisiert mit einem russisch sprechenden Bogart, und ich sage Ihnen, das war genauso phantastisch.« Er stand auf, applaudierte und rief: »Max, gib uns das Grand Hotel in Tschetschenien. In Erinnerung an die Einundzwanzigste und all die Jungs, die wir verloren haben. Spiel uns ›As Time Goes By‹.«
Er setzte sich wieder, schnippte mit den Fingern nach einer neuen Runde Wodka, aß noch ein paar Toasts mit Kaviar und schaffte es, gleichzeitig die Melodie des Stücks mitzusummen.
»Ein Enthusiast«, stellte Ashimov an Greta gewandt fest.
»Den Zuhörern scheint es zu gefallen.«
Und das war tatsächlich so, denn sie sangen ganze Passagen lauthals mit, manche auf Englisch, andere auf Russisch. Zubin brachte das Stück zu einem fulminanten Ende, das Publikum johlte, sprang auf und klatschte begeistert Beifall. Zubin bedankte sich winkend bei seinen Zuhörern und nickte dem Bassisten zu, der sein Instrument zur Seite legte und sich ans Klavier setzte, während Zubin von der Bühne stieg und Levins Tisch ansteuerte, wobei er Dutzende von Händen schüttelte.
Levin lächelte. »Du hast nichts von deinem Talent eingebüßt.« Er reichte ihm ein Glas Wodka. Zubin kippte es auf einen Sitz hinunter und griff nach einem zweiten. »Warum bist du so freundlich zu mir, Igor?«
»Sagen wir mal so«, antwortete Levin. »Dein Bart schmückt dich, aber es ist an der Zeit, ihn abzurasieren.«
»Zum Teufel, nein«, stöhnte Max Zubin. »Nicht das.«
»Ich fürchte doch. Du kannst dich doch sicherlich noch an Major Ashimov erinnern, damals in Paris? Er wird dir alles erklären.«
Max Zubins Wohnung glich einem Kokon, dem der Lauf der Zeit nichts hatte anhaben können. Selbst die Haushälterin war steinalt und sah aus wie einem Tschechow-Stück entsprungen. Die Einrichtung wirkte wie die Requisite für einen Film der dreißiger Jahre, einschließlich des großen Flügels, auf dem unvergessliche Stars in Silberrahmen die Jahrzehnte überdauert hatten.
Levin, Ashimov und Greta wurden von der Haushälterin eingelassen, die sie alle misstrauisch beäugte.
»Ist meine Mutter zu Hause, Sonia?«, erkundigte sich Zubin.
»Wo sollte sie denn sonst sein? Sie schickt sich gerade an, zu Bett zu gehen.«
»Ich würde sie gern sprechen.«
»Was, um diese Uhrzeit? Ich werde ihr ausrichten, dass Sie da sind.«
Sonia ging hinaus, und er zündete sich eine Zigarette an. »Sie müssen Sonia entschuldigen. Sie war eine nur mäßig talentierte Schauspielerin und wurde dann die Garderobiere meiner Mutter.«
Greta ging hinüber zu dem Flügel und besah sich die alten Fotografien. Zubin folgte ihr, setzte sich ans Klavier und begann ›Falling in Love Again‹ zu spielen.
»Marlene Dietrichs Hymne«, bemerkte Greta.
»Sie werden Bilder von ihr und meiner Mutter finden.«
Greta arbeitete sich durch die vielen gerahmten Aufnahmen und nahm eine davon zur Hand. »Mein Gott, ist das Ihre Mutter mit Laurence Olivier?«
»Ja, in London, wo wir die ›Drei Schwestern‹ spielten«, unterbrach sie eine Stimme. »Ich bin unglückseligerweise zurückgekommen.«
Und da stand sie in Fleisch und Blut, gehüllt in einen seidenen Hausmantel, das Haar straff
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