Gesetz des Todes
Messer durchs Gesicht gezogen. Ich war schon auf den Knien, als ein berüchtigter Londoner Gangster, der von dem Überfall gehört hatte und damit nicht einverstanden war, mir mit einem halben Dutzend Männern zu Hilfe kam. Die Malteser hatten ihn nämlich auch gelinkt.«
»Das war mein Onkel Harry«, sagte Billy. »Ich bin mit dieser Geschichte aufgewachsen. Der Schwarze Freitag. Er hat den Malteser Ring, so nannten sie ihn, gesprengt.«
»Geht es ihm gut, weilt er noch unter uns?«
»Fragen Sie Dillon.«
Russo umarmte Billy und küsste ihn auf beide Wangen. »Was für ein Segen.«
In der Arena öffnete sich das Tor der Angst, und eine Gruppe junger und eher magerer Stiere stürmte heraus. Die jungen Männer gingen in Position und fingen an, ihre Umhänge zu schwingen.
»Vor Jahren hat mich Dillon öfter besucht, damals war ich noch jünger und verrückter und habe bei diesem Unsinn, den wir hier sehen, auch noch mitgemacht.«
»Spaß muss sein«, meinte Billy.
»Meistens war es auch ein Spaß, aber hin und wieder ist unter den jungen Stieren ein ganz besonderes Früchtchen, und leider bin ich genau auf den gestoßen. Ich habe meinen Umhang geschwenkt, bin ausgerutscht, der Stier warf mich über seine Schultern, und der da«, er nickte Dillon zu, »hechtete mit einem Satz über die barrera in die Arena, und als der Stier sich umgedreht hatte, um auf mich loszugehen, warf er sich vor dem Vieh auf die Knie und riss sein Hemd auf.«
»Jesus«, entfuhr es Billy.
»Er rief: ›He, toro , tu es für mich!‹ Da blieb der Stier stehen, zwei peons kamen angerannt und zerrten mich weg. Dann ging Dillon seelenruhig auf das schnaubende Tier zu und tätschelte ihm die Nüstern.«
»Und dann?«
»Die Menge tobte, die Leute kletterten über die barrera und trugen Dillon johlend auf den Schultern durch die Arena. In der Plaza von Madrid hätte es nicht stürmischer hergehen können. In den Bars nannten sie Dillon den Mann, der den Tod sucht, und was er an jenem Tag vollbrachte, blieb als Passierschein in den Tod in Erinnerung.«
Billy nickte Dillon bewundernd zu. »Vielleicht war es das, was ich die ganze Zeit gesucht hatte«, meinte dieser lässig. »Wer weiß? Können wir etwas trinken gehen? Ich hätte da was mit dir zu besprechen, Russo.«
In dem Café in der Nähe der Plaza herrschte um diese morgendliche Stunde nicht allzu viel Betrieb. Es war ein heller, luftiger Raum, mit weiß getünchten Wänden, einem Tresen mit Marmorplatte, dahinter die übliche Spiegelwand mit den diversen Spirituosen. Überall hingen Plakate der verschiedensten Stierkämpfe. An einem der Tische saßen vier verwegen aussehende Zigeuner, die grappa tranken und Karten spielten; in der Ecke lümmelten zwei junge Burschen mit Gitarren und klimperten vor sich hin. Der Barmann war alt und hässlich, und die Narbe an seiner linken Wange stammte mit großer Wahrscheinlichkeit vom Horn eines Stiers.
»Ein freundlicher Haufen«, bemerkte Billy.
»Ja, solange sie auf deiner Seite sind.« Russo rief den Barmann. »Whisky für alle, Barbera.«
»Nicht für mich«, wehrte Billy ab.
Russo sah Dillon überrascht an. »Er trinkt nicht?«
»Nein, er tötet nur Menschen.«
»Aber nur, wenn es nötig ist«, setzte Billy hinzu.
Russo schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich werde alt.«
Der Whisky wurde gebracht, sie prosteten sich zu. »Salut«, sagte Russo. »Und jetzt verrate mir, was euch hierher geführt hat, Sean.«
Dillon erzählte es ihm.
Anschließend meinte Russo grinsend: »Typisch Dillon, nimmt es nicht nur mit der IRA auf, sondern auch noch mit den Russen. Simple Dinge liegen dir wohl nicht, wie? Aber ich verstehe dich. Diese Frau, Superintendent Bernstein. Das war mies. Das hätten sie nicht tun dürfen, und die junge Krankenschwester anzuheuern und sie anschließend umzubringen …« Er schüttelte angewidert den Kopf.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Billy.
»Ich genieße immer noch beachtlichen Einfluss auf dieser Insel«, erklärte ihm Russo. »Mein Name genügt. Zuerst werde ich den Empfangschef vom Sanders anrufen.«
Er zückte sein Mobiltelefon und tippte eine Nummer ein. »Hier spricht Russo. Was können Sie mir über einen Iren namens Fitzgerald sagen? Hat eingecheckt und ist wieder abgereist, aha. Und wohin?«
Das Gespräch dauerte einige Minuten. »Interessant«, sagte er, während er das Handy wieder in die Tasche gleiten ließ. »Fitzgerald hat die Nachtfähre nach Khufra genommen, das liegt an der algerischen
Weitere Kostenlose Bücher