Gesetz des Todes
aufs Meer flüchten, aber da hat Dillon seine Fernsteuerung zur Hand genommen, den entsprechenden Knopf gedrückt und sie ins Jenseits katapultiert. Was ich mit eigenen Augen gesehen habe. So, und jetzt schlage ich vor, dass wir alle darauf einen trinken, bevor Dillon sämtliche Whiskyvorräte niedermacht.«
Rabbi Bernstein hatte am späten Nachmittag das Rosedene Hospital zusammen mit Professor Bellamy verlassen, der ihn in seinem Wagen mitgenommen hatte. Es war sehr ruhig im Haus, als die junge Krankenschwester, mit der Dillon zuvor gesprochen hatte, ihren Wagen durch den langen Flur schob. Ihr Name war Mary Kulane. Und er hatte sich nicht geirrt. Sie sprach tatsächlich mit einem Dubliner Akzent, obgleich sie 1980 in Londonderry im Norden von Irland geboren wurde. Sie war noch ein kleines Mädchen gewesen, als sie nach Dublin kam, weil ihr Vater, ein IRA-Aktivist, wegen Mordes zu fünfmal lebenslänglicher Haft, abzusitzen im Maze Prison, verurteilt worden war. Während seiner Gefangenschaft erlag er einem Krebsleiden, und das konnte Mary der britischen Regierung nie verzeihen. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit hatte sie sich der provisorischen irisch-republikanischen Armee angeschlossen und war dort trotz ihres respektablen Berufs, den sie ausübte, noch immer als ›Schläfer‹ registriert und im Bedarfsfall jederzeit abrufbar.
Der Anruf, der sie über ihren momentanen Auftrag informierte, war völlig überraschend gekommen. Und zwar von Liam Bell, einst Stabschef der provisorischen IRA, der sich inzwischen in Dublin zur Ruhe gesetzt hatte, an der Universität einen Lehrstuhl bekleidete und nebenbei Bücher schrieb, denn der Friedensprozess hatte einiges verändert – nur dass sich nicht wirklich etwas geändert hatte. Das war die Schuld der verdammten Briten, und Leute wie Liam Bell wurden immer noch gebraucht, um den Kampf weiterzuführen, gleichwohl auf andere Art und Weise.
Mary wurde dahingehend instruiert, sich bei einer Vermittlungsagentur für Krankenhauspersonal zu melden, wo ein Freund der Organisation dafür Sorge tragen würde, dass sie in der Rosedene Klinik in St. John’s Wood eine Anstellung fand. Dort sollte sie weitere Befehle abwarten.
Sie musste nicht lange warten. Als sie eines Abends nach Hause kam, die Tür zu ihrem Apartment in Kilburn aufsperrte und eintrat, fand sie dort zu ihrer Überraschung Liam Bell vor, der auf ihrem Sofa saß und eine Zigarette rauchte. Am Fenster lümmelte ein junger Kerl in einer schwarzen Bomberjacke und dunklen, ungepflegten Haaren, die sich um seine Schultern ringelten. Er sah bedrohlich aus und hatte etwas von einem mittelalterlichen Meuchelmörder an sich. Doch der Schock, den sie bei seinem Anblick empfand, hatte in seiner Intensität beinahe etwas Sexuelles.
»Keine Angst, meine Liebe«, beruhigte Bell sie. »Es gibt eine für die Bewegung äußerst wichtige Arbeit zu erledigen, und ich weiß, dass ich mich da ganz auf Sie verlassen kann. Niemand hat mehr Recht, sich zu revanchieren, als Sie.«
Mary wurde beinahe von ihren Gefühlen übermannt. »Ich tue alles, Mr. Bell. Ich würde mein Leben dafür geben.«
»Das ist nicht notwendig. Ich muss morgen früh wieder in Dublin sein, aber Dermot Fitzgerald wird auf Sie aufpassen. Er ist ein Gelehrter und ein Gentleman.«
»Es ist mir ein Vergnügen«, sagte Fitzgerald.
»Es geht um eine Patientin im Rosedene, die unserer Sache gefährlich werden könnte. Sie arbeitet als Superintendent für die Special Branch und ist verantwortlich für den Tod oder die Verurteilung von vielen Ihrer Kameraden. Und da können Sie mich beim Wort nehmen.«
»Oh, das tue ich.«
»Sie lag bisher im Cromwell. Unsere Freunde dort haben mich wissen lassen, dass sie morgen ins Rosedene zurückverlegt wird.« Er zog einen kleinen Umschlag aus der Jackentasche und reichte ihn ihr. »Darin befindet sich etwas, das der Dame hilft, sich auf den Weg zu machen. Ihr Leiden verkürzt, wenn Sie so wollen. Es heißt Dazone. Ein spezielles Medikament aus den Staaten. Hilft bei Herzproblemen. Eine Pille, wohlgemerkt, aber drei«, er zuckte die Achseln, »drei bringen einen über den Jordan. Sind Sie dazu bereit? Sie haben sehr belastende Erinnerungen, was Ihren Vater betrifft …«
Sie nahm den Umschlag entgegen. »Ich mache es. Das ist eine wunderbare Gelegenheit, der Sache zu dienen.«
»Gutes Mädchen.« Bell tätschelte ihr die Hand und stand auf. »Ich mache mich jetzt auf den Weg. Passen Sie auf sie auf,
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