Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
langsam auf
ihn zu. Zu meinem Erstaunen sah ich, dass Amelie sich sofort an den fremden Mann
schmiegte.
„Na, du
bist ja ein feines Mädchen. Wissen Sie, ich hatte bis vor zwei Jahren auch
einen Hund und hatte immer überlegt mir wieder einen zuzulegen, aber man ist
sehr gebunden, und da ich neben meinem Beruf auch noch ein zeitaufwändiges
Hobby mit dem Segelboot habe, bleibt nicht mehr genug Zeit für einen Hund. Der
letzte Hund war einmalig – ein Jack Russel. Ich konnte ihn sogar daran gewöhnen
auf dem Segelboot mitzufahren und für den Fall, dass er mal musste, hatte ich
ihn an ein Katzenklo gewöhnt. Ja, ja, der gute Jerry – ein klasse Kumpel.“
„Ich
liebe Amelie auch sehr. Ich habe als Kind immer schon von einem Hund geträumt,
was meinen Eltern aber nicht gefiel und deshalb habe ich mir den alten
Kindheitstraum erst vor einem dreiviertel Jahr erfüllt. Ja, ich muss dann mal
weiter.“
„Gehen
Sie öfter hier spazieren? Vielleicht sehen wir uns noch mal, denn mein Boot
wird erst einmal eine kleine Weile hier liegen bleiben müssen. Also, vielleicht
bis bald?“
„Tja, wir
müssen dann mal weiter. Komm Amelie. Auf Wiedersehen.“
Ich ging
schnell weiter und merkte, dass mir unter meinem Friesennerz total heiß
geworden war. Ich schwitzte und die Haare klebten mir im Nacken. Waren das die
ersten Hitzewallungen oder was war das? Wieso hatte ich mich nur so benommen –
richtig kindisch muss das gewirkt haben. So eine Situation hatte ich schon
lange nicht mehr erlebt. Ich stehe mit meinen beiden Beinen fest im Leben, habe
einen verantwortungsvollen Beruf und dann stehe ich einem Mann gegenüber und
kriege kein vernünftiges Wort über die Lippen. So etwas. Noch immer konnte ich
mich über mein blödes Verhalten nicht beruhigen. Und was ihn wohl meine
Kindheitsträume interessieren?
Amelie
und ich waren gut eine Stunde unterwegs gewesen und steuerten zielstrebig auf
die Haustür zu. Ich freute mich auf einen schönen heißen Kaffee.
11
Ich
wollte gerade die Haustür aufschließen, aber aus Gewohnheit schloss ich noch
einmal meinen Briefkasten auf. Lauter Werbung. Als wenn man nicht schon genug
von diesem Zeug im Briefkasten hätte. Ich beschloss, es direkt zum
Papiercontainer zu bringen, als ein kleiner weißer Zettel aus dem Wust von
Papier zu Boden trudelte. Was war das denn? Wer wirft mir denn einen karierten
Zettel in den Briefkasten. Angespannt bückte ich mich nach dem Zettel, faltete
ihn auseinander und sah dort einen Satz in krakeliger Handschriftgeschrieben.
Komm zu mir du kleine Schlampe. Aber warte nicht zu
lange, denn sonst hole ich mir, was ich haben will. Hast du nicht auch Lust auf
einen geilen Fick?
Ich
schüttelte den Kopf und knüllte den Zettel so fest zusammen, dass ich mir dabei
fast die Fingernägel in die Hand bohrte. Was sollte das denn? Völlig
verunsichert kehrte ich in meine Wohnung zurück. Bevor ich Kaffeewasser
aufsetzte, ging ich zu den Fenstern, um die Rollläden herunter zu lassen. Da!
Ich spinne doch nicht – da haben sich schon wieder die Gardinen gegenüber
bewegt. Mit Schwung und viel zu schnell ließ ich die Rollläden herunterkrachen.
Das fehlte mir ja gerade noch.
Zitternd vor Aufregung nahm ich eine Kaffeetasse aus
dem Schrank. Sie schlug dabei an die rechte Innenwand des Geschirrschranks und
es gab einen kurzen, hellen Schlag. Geh du jetzt auch noch kaputt, du blöde
Tasse, schimpfte ich im Stillen vor mich hin. Ich goss Milch in die Tasse und
den Kaffee direkt darauf. Meine Stirn lag in Falten und ich schäumte innerlich.
Ich ging mit dem Kaffeebecher bewaffnet in mein Wohnzimmer und stellte ihn auf
den Glastisch. Geräuschvoll ließ ich mich auf die Couch fallen. Was soll das
alles, fragte ich mich. Vor allem, kommt dieser Zettel von dem Typen gegenüber,
oder hat ihn irgendjemand anderes in meinen Briefkasten geworfen? Ich musste
dringend mit jemandem sprechen, aber mit wem? Als erstes fiel mir Angela ein,
aber die kam erst später vom Dienst nach Hause. Egal, ich würde sie anrufen und
auf den Anrufbeantworter sprechen. Ich stand auf und stellte den Kaffeebecher
mit so viel Wucht auf den Tisch, dass die Glasplatte klirrte und der Kaffee aus
der Tasse schwappte. Es bildete sich sogleich ein kleiner hellbrauner See um
den Kaffeebecher. Auch gut, dachte ich; meine düstere Stimmung wollte einfach
nicht weichen. Ich ging zu meinem Telefon und wählte Angelas Telefonnummer.
Nach dem dritten Klingelzeichen meldete sich der Anrufbeantworter
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