Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
eindrucksvollste kam aber erst danach. Man betrat einen Billardraum.
Ein großer Raum mit viel Licht, das durch große Fenstern fiel, und ausgelegt
mit einem roten Veloursteppich in dessen Mitte ein professioneller Billardtisch
thronte. Es lag ein Queue quer auf dem Billardtisch und die Spielkugeln lagen
verteilt auf der grünen Filzplatte. Man sah sich unwillkürlich um, weil man
glaubte ein aktuelles Billardspiel unterbrochen zu haben. Wo waren die
Billardspieler? Unter den Fenstern, in Höhe der Fensterbänke war ringsum den
Raum ein schmales Bänkchen angebracht, was es dem Spieler, der gerade nicht am
Zuge war, ermöglichte, dem anderen Mitspieler geradewegs auf die Finger zu
schauen, damit nicht gemogelt wurde. Dieses Billardzimmer war meisterhaft in
Szene gesetzt.
Die
Bilder verschwammen ein wenig. Plötzlich schreckte ich hoch. Hatte ich gerade
von England geträumt? Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Wie war ich nur
auf England gekommen? Dann fiel es mir aber wieder ein, ich hatte von England
in der Zeitung gelesen und war dabei mit meinen Gedanken abgewandert. Darüber
musste ich wohl eingeschlafen sein.
Amelie
hatte sich komplett auf die Seite gelegt und hielt Siesta. Ein Anblick, der
viel Ruhe ausstrahlte. Mein Gott, wie sehr liebte ich diesen Hund.
Als ob
Amelie meine Gedanken gelesen hätte, hob sie ihren Kopf und blickte mich
erwartungsvoll an.
„Was ist
los, sollen wir noch mal rausgehen? Warte, ich verschwinde noch mal kurz im Bad
und dann gehen wir.“
Ich zog
meine dicke Friesenjacke über, ging noch einmal zum Kühlschrank, weil ich einen
fürchterlichen Durst hatte. Eine gekühlte Flasche Mineralwasser war immer
vorhanden. Ich schraubte den Verschluss auf und trank gierig ein paar Schlucke
aus der Flasche. Dann ging’s los.
„Komm
Süße, dann lass uns mal gehen“, sagte ich zu Amelie.
Amelie,
wie immer in großer Erwartung, lief aufgeregt vor der Wohnungstür herum, bis
ich sie endlich aufmachte, um mit ihr loszugehen. Wir gingen unseren üblichen
Weg in Richtung Liblarer See.
Auch
heute kamen wir an dem Stück Wiese vorbei, das im Sommer ein beliebter
Badeplatz war. Das Wetter war heute klar, der Himmel war blau und nur ein paar
dickere Wolken verdeckten gelegentlich die Sonne, aber es war ein angenehmer
Tag und vor allem trocken. Ich empfand das immer als sehr angenehm, da Amelie
dann nicht so viel Schmutz mit nach Hause brachte.
Ich
wollte gerade weitergehen, als mir einfiel, dass ich vor zwei Tagen hier dieses
weißlackierte Beiboot gesehen hatte. Davon war heute nichts zu sehen.
Von einer
gewissen Neugier getrieben ging ich vom Weg auf die Wiese und direkt an das
Seeufer heran. Ich schaute auf den See und staunte nicht schlecht. In der Mitte
des Sees lag ein unglaublich großes Segelboot, so ein großes Boot hatte ich
hier noch nie gesehen – und das auch noch um diese Jahreszeit. Ich versuchte,
mit der Hand die Augen vor dem Licht schützend, zu erkennen, ob sich jemand auf
diesem Boot befand. Es gelang mir aber nicht. Ich stand da, ein wenig nach
vorne gebeugt und reckte meinen Hals in Richtung Seemitte. Ich versuchte alles,
um vielleicht doch noch etwas erkennen zu können und stellte mich in einem
letzten Versuch auf die Zehenspitzen, als mich jemand, dicht hinter mir,
ansprach. Ich zuckte fürchterlich zusammen.
„Hallo,
suchen Sie jemanden?“, fragte mich ein Mann, der wirklich sehr dicht hinter mir
stand. Ich hatte ihn nicht kommen hören. Der Mann war groß, hatte dichte
schwarze Haare und so intensiv blaue Augen, wie ich sie bisher nur von Terence
Hill aus dem Fernsehen kannte.
Augenblicklich
war mein Mund vor lauter Schreck staubtrocken. Ich versuchte zu schlucken, es
gelang mir aber nicht.
„Äh nein,
nein“, brachte ich stammelnd hervor und wurde knallrot.
„Entschuldigung,
ich habe Sie wohl erschreckt, das wollte ich nicht. Mir war nur aufgefallen,
dass Sie sich offenbar für mein Boot interessieren. Gefällt es Ihnen?“
„Ja“,
noch immer brachte ich nicht mehr Worte über die Lippen. Ich stand da und kam
mir etwas dumm vor. Das war mir ja schon lange nicht mehr passiert, ich kam mir
wie ein kleines Schulmädchen vor.
„Ist das
Ihr Hund?“, wobei er auf Amelie zeigte.
„Ja, das
ist Amelie. Amelie, komm mal her.“
Amelie
verhielt sich vorbildlich und kam neugierig auf uns zugelaufen. Sie blieb etwa
zwei Schritte vor uns stehen und versuchte den Geruch des fremden Mannes
aufzunehmen. Als sie glaubte, Vertrauen fassen zu können, ging sie
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